Spionin in eignener Sache
Kate ein.
»Ja, ich weiß. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, mit einem Faden verglichen zu werden.«
»Ich fühle mich geehrt. Obwohl es natürlich erniedrigend ist, bloß ein Faden zu sein. Normalerweise bin ich ein bißchen mehr oder rede es mir zumindest ein. Aber im Grunde können all wir Detektive, gleich ob Amateure oder Profis, und selbst die Polizei, nicht mehr tun, als den Dingen eine andere Richtung geben. Keiner von uns kann heute noch etwas von Grund auf verändern. Wir können nur versuchen, gewisse Entwicklungen ein wenig zu beeinflussen.
Aber jetzt hole ich uns den Drink.«
Als Kate mit dem hochgeschätzten Scotch zurückgekehrt war, beide einen Schluck getrunken hatten und Harriet wie immer voll des Lobes über das köstliche Getränk war, lehnte sich Kate in ihrem Sessel zurück und nahm den Faden ihres früheren, etwas profaneren Gesprächs wieder auf.
»Haben Sie vor, nach Boston zurückzukehren?«
»Nur für einen Besuch. Ich bleibe hier in New York. Ich hoffe, Betty läßt es zu, daß ich ihr in der vor ihr liegenden Zeit beistehe.
Teufel, ich rechne fest damit. Aber ich bleibe auf jeden Fall. Und Sie
– wollen Sie weiterhin mit mir zu tun haben, oder ist das hier jetzt unser Abschiedsdrink?«
Kate ignorierte die Frage. »Wollen Sie auch in Zukunft nur mit Bargeld operieren, ohne echte Identität und ohne eigenen Namen leben?«
»Wenn Betty meine Hilfe will, kann ich das ja wohl schlecht.
Dann bin ich wieder ihre Mutter, führe meinen eigenen Namen, zahle Steuern und werde überhaupt wieder ein offiziell registriertes, 149
ordentliches Mitglied der Gesellschaft sein. Und kommen Sie mir jetzt bitte nicht damit, ich hätte bisher den Staat betrogen. Mit dem so außerordentlich großzügigen Gehalt der Schuyler habe ich knapp an der Armutsgrenze gelebt und schulde dem Staat also nicht das Geringste.«
»Und nachdem Betty freigelassen ist…«
»Ich bin froh, daß sie nachdem gesagt haben, nicht falls.«
»Und nachdem Betty freigelassen ist, werden Sie dann nach Boston zurückkehren?«
»Wahrscheinlich. Vielleicht kommt sie mit mir, vielleicht nicht.
Das liegt allein an ihr. Ich werde dasein, wenn sie mich braucht, das wird sie hoffentlich nie vergessen. Aber ich muß zugeben, daß ich mich in Massachussetts heimischer fühle als in New York, auch wenn es ein sehr großes Privileg war, all euch New Yorker kennenzulernen. Tja, und falls ich nicht wegen Benutzung falscher Papiere und meiner erschwindelten Existenz ins Gefängnis muß, werde ich mir als nächstes irgendeinen Job suchen – unter meinem eigenen Namen – und dann weitersehen.«
»Sollten Sie irgendwann doch wieder einen anderen Namen annehmen«, meinte Kate, »wie wär’s mit Smiley?«
»Wie wär’s mit Fansler? Hätten Sie was dagegen, wenn es zwei weibliche Fanslers gäbe? Sie haben doch keine weiblichen Verwand-ten dieses Namens, oder?«
»Nur drei Schwägerinnen und zahllose Neffen und Nichten, meist ebenfalls mit angeheiratetem Anhang. Ich glaube, das wäre keine gute Idee.«
»Sie haben wahrscheinlich recht. Wissen Sie, warum mir Fansler so gefällt, Kate? Weil wir uns in vieler Hinsicht gleichen. Oh, nicht äußerlich, der Himmel bewahre. Ich messe mich nicht an Ihrer schlanken Figur, Ihrem Geld oder Ihrem exzellent diskreten Kleider-geschmack. Aber trotzdem gleichen wir uns – im Geiste, könnte man sagen. Ich bin sozusagen Ihr zukünftiges Ich – das heißt, wenn Sie Ihre Karten richtig ausspielen.«
»Ich werde nie eine Tochter haben.«
»Nein, biologisch nicht. Und ich kann wirklich nicht behaupten, daß ich die übliche Mutter-Tochter-Beziehung für die glücklichste halte. Vielleicht bessert sich das eines Tages, doch bisher ist sie hoch problematisch, jedenfalls meistens. Aber Sie werden eine Nenntoch-ter haben, vielleicht auch zwei, hoffentlich nicht im Gefängnis, sondern irgendwo anders, für die es wichtig ist, daß Sie einfach da sind 150
und sie ermutigen.«
»Sie sind eine verdammte Romantikerin, Harriet. Ich glaube, das wußte ich von Anfang an. Nur habe ich Sie statt dessen Spionin genannt.«
»Ich bin verdammt noch mal keine Romantikerin«, widersprach Harriet, »aber wo wir schon von Romantik sprechen, bilden Sie sich bloß nicht ein, es war mir entgangen, wie Sie unseren Blair ange-guckt haben – nun, er ist süß, das geb ich ja zu. Doch Sie und ich, wir wissen beide, daß das nicht das wirkliche Leben ist. Sex ist in Ordnung, wenn man ihn bekommt, wenn man ihn will und es
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