Spittelmarkt
und unumschränkte Herrscher im eigenen Haus.
Von Florence hätte ich mehr wissen können, aber dem war nicht so. Wir waren uns vor etwa zwei Jahren auf der Geburtstagsfeier meiner Schwester Doris, die mit den Arnheims befreundet war, zum ersten Mal begegnet. Florence und ich hatten uns gut verstanden. Da ihr Gatte nicht zugegen gewesen war, hatten wir uns irgendwann davongestohlen und den Rest der Nacht miteinander verbracht. Ein paar heimliche Treffen waren gefolgt, das letzte davon lag ein Jahr oder mehr zurück. Ihr Ehemann und sie lebten in besten finanziellen Verhältnissen, das wusste ich, und auch, dass sie keine Kinder hatten. Das war alles. Doch selbst über diese Dinge hatten wir kaum miteinander gesprochen.
Ich legte die Unterlagen in den Schrank zurück, packte Badehose und Handtuch in eine Tasche und verließ die Kabine.
Das Schwimmbad wurde von blauen Säulen getragen und aus den großen steinernen Schildkröten beidseits des Beckens sprudelte vorgewärmtes Meerwasser. Außer mir waren nur ein paar Jungen im Bad, die vom Beckenrand aus Sprünge in das Wasser unternahmen, während ich unter dem vollen Einsatz meiner Kräfte meine Bahnen zog. Schließlich legte ich mich auf den Rücken und paddelte in dieser Weise durch das Wasser, dabei betrachtete ich die viereckigen Lichtschächte unter der Decke und schenkte den Ereignissen außerhalb des Beckens keine Beachtung mehr.
Sowie ich nach zehn Minuten eine Pause einlegte und dem Becken entstieg, war ich überrascht, auf einer der Bänke, unter denen die Heizkörper angebracht waren, eine junge Frau sitzen zu sehen. Sie trug eine Sonnenbrille, sodass ich ihr Gesicht nicht sofort erkannte, allerdings nahm ich die ausgeprägte Schönheit ihrer langen Beine und Arme wahr, sah, wie ihr die Erotik förmlich aus jeder Pore drang. Eine Schönheit in Vollendung, wie es sie unter den Menschen nur selten gab, und da wusste ich, wer die Frau war, die mich durch ihre dunklen Gläser hindurch zu mustern schien.
Ich ging langsam auf sie zu, stand ihr, noch ein wenig verwirrt, in meiner Badehose am Beckenrand gegenüber, bis sie sich erhob und mich anlächelte. Sie war nur ein wenig kleiner als ich, das Gesicht über dem langen Hals fast auf meiner Höhe, ein gertenschlanker Engel in einem knappen Badeanzug aus weißem Atlas. Auch aus der Nähe verblasste ihre Wirkung auf mich nicht, sondern war vielmehr noch intensiver und eindeutiger. Eine Haut wie schimmernde Seide, schoss es mir durch den Kopf. Mir war, als hätte ich das erste Mal in meinem Leben begriffen, was Eros war.
Sie nahm die Brille ab. Eine Weile erwiderte ich ihren Blick, ohne etwas zu sagen.
»Dr. Livingstone, nehme ich an?«
»Eugen Goltz ist mein Name; nur ein Reisender über den großen Ozean.«
Ihre Augen glitten gleichmütig über mich hinweg, und doch hatte ich das Gefühl, dass sie mich ganz genau betrachtete.
»Der Ozean ist ein Ort, der fast genauso gefährlich ist wie der afrikanische Dschungel«, sagte sie, ohne ihren Namen zu nennen. Als ob sie ahnte, dass ich ihn schon kannte.
»Ja! Das Meer ist unberechenbar. Ehe man sich versieht, hat es einen verschlungen. Dr. Livingstone hatte es da im Dschungel besser.«
Sie lächelte. »Wohin fahren Sie? Ist es Ihre erste Reise nach Amerika?«
»Ich war noch nie auf dem Atlantik«, erwiderte ich. »Und über New York komme ich beim ersten Mal nicht hinaus.«
»Da habe ich mehr Glück als Sie. Wenn alles gut geht, werde ich sogar den Pazifik sehen.«
»Sie reisen mit Herrn Helmholtz – werden Sie denn auch in einem Film zu sehen sein?«
Ihr Blick ruhte auf meinem Körper, was mir ganz angenehm war, weil ich keinen Grund hatte, ihn zu verstecken. Ich war in recht gefälligen Verhältnissen gebaut. Obwohl ich die 40 überschritten hatte, schlank und muskulös.
»Helmholtz ist der Schauspieler«, lächelte sie, »ich selbst bin nur in einer unbedeutenden Nebenrolle zu sehen.«
»Unbedeutend? Das kann ich bei Ihnen nicht glauben.«
Sie richtete ihren dunkelgrünen Blick auf das Wasser des Schwimmbassins. »Man fängt immer klein an«, lächelte sie. »Die Lorbeeren muss ich mir noch verdienen.« Sie wandte sich mit einer anmutigen Bewegung zur Seite, legte die Brille auf die Bank zu ihrem Handtuch und ging auf die Stirnseite des Schwimmbeckens zu.
»Es wird Ihnen gelingen. Wie heißt denn der Film?«
Sie sah wieder zu mir und zuckte die reizenden Schultern. »Helmholtz wird es wissen«, sagte sie und warf in einer knappen Bewegung den
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