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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Jahr alt. Ich habe immer gut auf ihn Acht gegeben. Aber dann kamen die Schatten. Seine Augen wurden zu Gold, und die Geister raubten ihn mir.« Sie weinte. »Wenn ich ihn wenigstens begraben könnte …«
    »Ich werde seinen Leichnam suchen lassen«, versprach Baniter. Er nahm ihr den Säugling aus den Armen. »Du hast ein Kind verloren, aber meiner Tochter das Leben gerettet. Ich danke dir.«
    Der Säugling blinzelte. Grüne Augen, gefärbt vom Schleier der ersten Lebenswochen. Er verzog den Mund und gähnte.
    Meine Tochter. Die wiedergeborene Sonne von Arphat. Baniter spürte den winzigen Körper, die Wärme, die zaghaften Bewegungen. Es war lange her, dass er ein Neugeborenes gehalten hatte; Marisa, seine drittälteste Tochter. Und wieder ein Mädchen. Jundala würde gewiss darüber schmunzeln.
    Seine Gedanken kehrten zu Binhipar zurück. Wie viele Jahre hatte der Fürst ihn mit seinem Hass verfolgt? Er hatte Baniter gedemütigt, den Silbernen Kreis gegen ihn aufgehetzt, zusammen mit Scorutar Suant ununterbrochen gegen ihn intrigiert … aber nun empfand Baniter nur Dankbarkeit.
    »Er ließ dich am Leben«, wisperte er seiner kleinen Tochter zu. »Er brachte es nicht übers Herz, dich zu töten.«
    Vielleicht hast du mich deshalb nicht besiegen können, Binhipar – weil dein Herz nicht aus Stein war, wie du selbst von dir glaubtest. Die Hunde müssen es gespürt haben; und weil sie dich fürchteten, wurde dir deine Schwäche zum Verhängnis. Ach, Binhipar … ich hätte dir einen würdevolleren Tod gegönnt.
    Der Kopf des Mädchens drückte auf den Verband an seiner Schulter. Ein Heiler hatte die Wunde genäht und mit dem Sud der Fachandelblüte ausgewaschen. Dennoch war es ein Wunder, dass sie sich nicht entzündet hatte. Inzwischen konnte Baniter wieder gehen. Er war dem Tod knapp entronnen, und seine letzte Begegnung mit Binhipar würde er sein Leben lang in den Knochen spüren.
    Er erinnerte sich an die Worte, die Nhordukael ihm auf den Weg mitgegeben hatte, als er ihn aus der Sphäre befreit hatte. Ihr seid nicht länger Mondschlunds Sklave, und kein Kaiser, kein Herrscher, kein Fürst. Vergesst nicht, wer den Silbernen Kreis schuf. Vergesst nicht, dass er zersprungen ist. Nein, er würde es nicht vergessen; nicht Mondschlunds Gesänge, nicht Sternengängers großspurige Worte. Sie hatten ihn gelehrt, wie belanglos sein Streben nach Macht gewesen war. Und nun, da Binhipar tot war und Frieden zwischen Menschen und Goldéi herrschte, war es an der Zeit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
    Er humpelte zum anderen Ende des Saals. Durch die Ritzen der zerstörten Mauern fiel Sonnenlicht. Baniter erhaschte einen Blick auf die Trümmer des Palasts. Nur der Nordflügel hatte dem Ansturm der Schatten widerstanden. Die anderen Gebäudeteile waren von gläsernen Wänden zerfurcht. Die Handschrift des Baumeisters Sardresh war deutlich zu erkennen. Und doch war die Verwandlung des Palasts unvollendet geblieben, wie so vieles in Vara.
    Dies ist nicht die Stadt, die sich Sardresh erträumte. Die Menschen werden sie neu erkunden müssen, und sie werden sie anders nutzen, als er es sich dachte.
    Jemand rief seinen Namen. Einige Männer waren eingetreten. Sie eilten auf Baniter zu und verneigten sich.
    »Fürst Baniter …«
    »Was ist?« fragte er unwirsch. »Was wollt ihr?«
    »Es sind Flüchtlinge durch die Tore eingedrungen. Wir haben sie zum Gorjinischen Markt geführt; sie sind ausgehungert und verängstigt. Die Goldéi haben sie in die Stadt gescheucht. Was sollen wir mit ihnen tun?«
    »Warum fragt ihr mich das? Bin ich verantwortlich für diese Dinge?«
    Die Männer wechselten verunsicherte Blicke. »Wir dachten … nun, Ihr seid der Fürst von Varona und Ganata … der letzte Erbe der Gründer.«
    »Wie ihr seht, trage ich keine Fürstenkette um meinen Hals. Der Silberne Kreis ist zersprungen. Wenn ihr jemanden braucht, der Entscheidungen fällt, dann sucht ihn euch selbst.«
    »Aber die Flüchtlinge – jemand muss sie versorgen. Sie kommen von weit her, aus Gehani. Es geht ihnen schlecht.«
    »Aus Gehani?« Baniter blickte ihn überrascht an. Wie kann das sein? Sternengänger versprach mir, die Bewohner von Gehani zu retten und auf seine Welt zuführen. Hat er gelogen? Ist sein Plan gescheitert? »Bringt mich zu ihnen!«
    Er humpelte den Männern hinterher.
     
    Es waren wohl zweihundert Flüchtlinge, die an diesem Tag in die Stadt gekommen waren; ganze Familien, erschöpft, verwirrt und hungrig. Die Kinder

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