Splitternest
gebannt.
Luft! Gierig sog Nhordukael sie ein. Er wollte atmen. Wollte leben. Wollte sich nicht verlieren in der Sphäre.
Wer in der Sphäre stirbt, findet keine Ruhe … der endet wie Sternengänger …
Er schlug die Augen auf. Sah vor sich das Geflecht der Drähte, die sich in sein verbranntes Fleisch geschnitten hatten. Ihr Funkeln war erloschen. Das Silber rauchte und war von schwarzen Wirbeln umgeben.
Nun lockerten sich die Drähte. Nhordukael konnte die Arme bewegen. Er spürte in seiner rechten Hand den Stab. Seine Finger umklammerten ihn fest.
Um ihn waberte die Schwärze. Aber sie zerrann vor seinen Augen, sammelte sich in dunklen Pfützen und schwand. Die magischen Ströme kehrten zurück und verdrängten sie.
Nhordukael löste seine Glieder aus dem Gefüge. Mit der Spitze des Stabs wischte er die Drähte fort wie Spinnweben. Die Schlinge um seinen Hals zerfiel. Er rang nach Luft. Die Magie der Sphäre kitzelte angenehm auf seiner Zunge.
Nun fiel sein Blick auf Sternengänger. Reglos hing der kleine Körper vor ihm in der Sphäre. Das Kind hatte die Hände vor sein Gesicht gelegt. Die Sporne der Maske hatten die Finger zerschnitten, und die Maske selbst war schwarz geworden, ein schrundiger Klumpen.
»Nun musst du loslassen, Sternengänger«, sagte Nhordukael leise. »Du hast lange genug über die Sphäre geherrscht und dich gequält. Ich befreie dich von ihr.«
Langsam schob er die Spitze des Stabs unter Sternengängers verklumpte Maske. Knirschend gab sie nach, als die Macht des Schwarzen Schlüssels sie erfasste. Nhordukael stemmte sich gegen den Stab. Mit einem kräftigen Stoß löste er die Maske von dem Gesicht des Kinds. Sie sprang herab. Darunter zerfetzte Haut, die entstellten Züge von Laghanos, seine Augen, weit aufgerissen, starr, voller Qual.
Nhordukael betrachtete ihn traurig. Er zerrte den Körper des Jungen zu sich empor. Dann sanken die zwei Auserkorenen zurück auf den Acker, wo sie zum letzten Mal aufeinander getroffen waren. Die Sphäre ließ sie frei.
Die letzten Spuren der Schwärze zerstoben über ihren Köpfen.
Grauenvolle Stille lag über dem Schlachtfeld. Der Wind blies schwach, der Regen hatte aufgehört. Keine Stimmen waren zu hören, nur ab und zu ein leises Husten. Wie viele lebten noch auf dem Acker? Wie viele waren gefallen, wie viele erstickt in den finsteren Schwaden?
Grauenvolle Stille.
Hände durchpflügten den Schlamm. Sie bekamen einen Arm zu fassen, eine Schulter, die ledernen Schnallen einer Rüstung. Sie zerrten an ihr, bis der Rest des Körpers aus der Brühe glitt.
»Ach ne. Wen haben wir denn da?«
Parzer beugte sich über den Mann, den er geborgen hatte. Erbärmlich sah der Kerl aus, sein Gesicht dreckig. Er zitterte am ganzen Leib. Blut rann aus seinen Nasenlöchern.
»Das sieht mir ganz nach Tarnac dem Grausamen aus«, sagte Ungeld, der sich neben Parzer aufgebaut hatte. »Grausam, wirklich … brrr. Nun wisch ihm schon den Rotz von den Lippen, er kriegt ja kaum Luft.«
Tarnac keuchte. Panisch starrte er umher. »Die Schwärze … wo ist sie?«
»Vergangen im Wind.« Ungeld wedelte fahrig mit der Hand. »Zurück bleiben die Toten, die sie in vollen Zügen genossen haben.«
»Findest du das etwa lustig, Ungeld?« Schalim der Prasser drängte sich neben die Fischer. Er war totenbleich, und wie Tarnac blutete er aus der Nase. »Der schwarze Hauch hat Tausende erstickt! Fast hätte es mich auch erwischt.« Er hustete und spuckte eine schwarze Spur ins Wasser.
Tarnac keuchte auf. »Die Schwärze … hat sie alle umgebracht … hat keinen verschont … niemanden …«
»Außer den Erben Varyns«, brüstete sich Mäulchen, die zu ihnen aufgeschlossen war. »Und auch der Prasser kriegt langsam wieder Farbe ins Gesicht.« Sie zwickte Schalim schelmisch in die Wangen.
Tarnac versuchte sich aufzurichten, aber er hatte kaum Kraft und sank zurück in den Schlamm. »Bitte … helft mir … bringt mich nach Venetor … ich muss …«
»Du musst gar nichts mehr«, schnarrte Parzer streng. »Außer dein Ärmchen heben. Du schuldest uns noch etwas.«
Er krempelte das Leder an Tarnacs rechtem Arm zurück. Enttäuscht betrachtete er die nackte Haut.
»Vielleicht das andere Handgelenk?« schlug Mäulchen vor.
Parzer überzeugte sich vom Gegenteil. »Nichts!« Seine Augen rollten. »Raus mit der Sprache, Tarnac. Wo ist das Armband? Auch wir können sehr grausam sein, wenn man uns foppt.«
Der König schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht … es
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