Splitterseelen
Eine Vorstellung, die ihm gut gefiel, denn dann fühlte er sich nicht so alleine. Verlassen … Er lächelte sich traurig in einem Spiegel an, den er heute Morgen auf einem Flohmarkt gekauft hatte.
„Du hast die richtige Entscheidung getroffen“, flüsterte er sich zu und merkte erstaunt, dass er seine Worte sogar glaubte.
„Ein neues Leben und eine neue Chance. Und die Gewissheit, dass ich zwei geile Typen glücklich gemacht habe, ohne sie zu berühren.“ Jetzt grinste er. Dieser Spruch wäre eines Mijo wert gewesen. Calael drehte dem Spiegel den Rücken zu und strich mit dem Zeigefinger sanft über ein gerahmtes Foto, das auf seinem Nachttisch stand. Auch den Rahmen hatte er auf dem Flohmarkt erworben. Nun strahlte ihm Jasons Gesicht daraus entgegen.
„Werdet glücklich“, murmelte er und zog sich schließlich seine Jacke an. Er hatte noch einen Gang vor sich, um den ihn Jason sicherlich gebeten hätte, hätte er die Gelegenheit dazu gehabt.
Im Treppenhaus stieß er mit einem jungen Mann zusammen, der sich rückwärts die Stufen hinauftastete und einen offenbar schweren Koffer hinter sich her zerrte.
„Hoppla!“
„Huch! Entschuldige!“
Ein junges Gesicht strahlte ihm derart fröhlich entgegen, dass er ohne darüber nachzudenken mit anpackte und dem Unbekannten half, den Koffer die letzten Stufen hinaufzuschleppen.
„Da müssen Wackersteine drinnen sein“, sagte er mit einem Ächzen.
„Treffer. Ich sammle Wackersteine.“ Der Fremde lachte und reichte Calael die Hand. „Jory Balder. Danke für deine Hilfe. Falls du der Eigentümer dieser Wohnung hier bist, dann sind wir ab heute Nachbarn. Ich ziehe gerade ein. Deswegen auch der Koffer.“
Calael ergriff die dargebotene Hand und schüttelte sie. Sein Blick hing an den dunkelbraunen Augen seines Gegenübers. Wow! Lange Wimpern hatte der Typ und einen total verschmitzten Zug um seine Lippen. Keine Grübchen, aber verdammt attraktiv. Der Mund war vielleicht ein bisschen zu groß …
„Hast du ebenfalls einen Namen?“, riss ihn sein Nachbar amüsiert aus den Gedanken.
„Calael … ich meine Norris Grey.“
„Calael oder Norris?“ Belustigt wurde er gemustert.
Ach, was soll’s …
„Calael für meine Freunde.“
„Kann ich dich auf ein Bier einladen, quasi als Basis für eine gute Nachbarschaft?“, erkundigte sich Jory.
„Das klingt verlockend. Leider habe ich schon etwas vor.“
„Vielleicht später?“ Jory zwinkerte ihm zu. „Ich muss morgen nicht raus.“
„Okay, warum nicht? Gern. Bis später also.“ Mit einem Nicken verabschiedete sich Calael.
Weit hatte er nicht zu laufen. Sein Vater hatte ihm damals auf seinen Wunsch hin eine Wohnung ganz in der Nähe des Hauses von Jason und seinen Pflegeltern besorgt. Nun stand er vor der grün gestrichenen Tür des kleinen Reihenhauses, in dem er Jason so oft beobachtet hatte. Seit zehn Minuten starrte er bereits auf das Klingelschild. Berlington stand darauf.
„Ein Abschied“, sagte er zu sich. „Dies ist mein Abschied von meinem alten Leben.“ Er dachte an Jory und die Einladung. Möglicherweise konnte das ein neuer Anfang werden.
Nichts überstürzen, Calael, nicht zu viel erhoffen. Noch eine Enttäuschung verkraftest du nicht. Geh es langsam an.
Er drückte die Klingel. Gleich darauf hörte er Schritte. Eine Frau in einem schwarzen, schlichten Kleid öffnete ihm. Ihr Gesicht war bleich, die dunklen Ringe unter ihren Augen waren nicht zu übersehen.
„Mrs. Berlington? Mein Name ist Calael. Ich bin der Zwilling Ihres Pflegesohnes Jason und ich bin hier, um Ihnen zu versichern, dass es ihm gut geht. Die Geschichte klingt allerdings etwas unglaubwürdig …“
Acoa: Eulenähnlicher Raubvogel
Adras: Pelikanartige Vögel mit ledernen Schwingen und mausgrauem Fell. Sie sind so groß, dass ein Mensch in ihrem Kehlsack bequem sitzen und sich transportieren lassen kann. Man ruft sie mit Silberpfeifen und lässt sich per Gedankenübertragung von ihnen zum Ziel bringen. Erwachsene Adras leben niemals wild, sie kommen freiwillig zu den Menschen/Dämonen, um sich durchfüttern zu lassen. Ihre Brut legen sie in fernen Sümpfen, die dort auf sich allein gestellt aufwachsen müssen. Sie fliegen nicht in der Nacht.
Alte Siedlung: Eine Sammlung von verfallenen Steinhäusern. Hier funktioniert aus unbekannten Gründen keine Magie, Spiegelweltler, v.a. Seelensteinträger, leiden an diesem Ort und können sich kaum auf hundert Meter annähern. Dort befindet
Weitere Kostenlose Bücher