Sportreporter
Kopf »Gegen ein bißchen Gesellschaft hab ich nichts einzuwenden.«
Wieder ein Lächeln, mit einem winzigen Schuß Sinnlichkeit. Irgendwas an dir gefällt mir, heißt das, aber zieh daraus bloß keine falschen Schlüsse . Ich antworte mit meinem eigenen festen Lächeln, das sie in Sicherheit wiegen wird.
»Ich wollte Ihnen einfach sagen, daß ich Ihre Geschichten in dem Magazin gelesen habe und daß sie mir wirklich sehr gut gefallen.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, danke.« Ich nicke, harmlos wie der alte Onkel Gus. »Ich bemühe mich, den Job hier einigermaßen ernst zu nehmen.«
»Ich bin nicht freundlich.« Ihre Augen blitzten. Sie ist eine Frau, die sowohl plaudern als auch provozieren kann. Und ich bin sicher, sie kann auch ironisch werden, wenn die Situation es verlangt.
»Nein. Ich glaube, Sie wären keine Sekunde lang freundlich. Es ist nur nett von Ihnen, das zu sagen, selbst wenn Sie nicht nett sind.« Ich lege das Kinn, genau da, wo Vickis Schlag gelandet ist, in die weiche Innenseite meiner Hand.
»Akzeptiert.« Ihr Lächeln drückt aus, daß ich ja doch ein ganz guter Typ bin. Alles wird in ein Lächeln umgerechnet.
»Und, wie läuft’s so beim Football?« sage ich mit erzwungener Unbeschwertheit.
»Na ja, ich find’s ganz schön aufregend«, antwortet sie. »Am Ende werfen sie einfach ihre ganzen Tabellen und Bewertungen raus und verlassen sich auf ihr Gefühl. Dann geht das Gebrüll erst richtig los. Ich fand’s gut.«
»Nun, wir geben uns schon Mühe, all die Hintergründe auszuleuchten«, sage ich. »Als ich hier anfing, konnte ich überhaupt nicht begreifen, wieso von denen jemals einer recht haben oder auch nur etwas wissen kann.« Ich nicke, zufrieden mit meiner Aussage, die natürlich eine gewichtige Wahrheit eines gelebten Lebens wiedergibt; andererseits gibt es keinen Grund anzunehmen, diese Catherine Flaherty wisse das nicht schon länger als ich. Sie ist zwar gerade erst zwanzig, aber ihr scharfsichtiger Blick verrät, daß sie gerade über die Dinge, die mir am wichtigsten sind, besser Bescheid weiß als ich – die Früchte eines privilegierten Lebens. »Wollen Sie’s denn auch damit versuchen, wenn Sie mit der Schule fertig sind?« sage ich und hoffe auf ein Na klar, da können Sie Gift drauf nehmen . Doch sie sieht sofort nachdenklich drein, als wolle sie mich nicht enttäuschen.
»Ach wissen Sie, ich hab die Eignungstests für ein Medizinstudium bereits hinter mir, und jetzt hab ich etliche Bewerbungen draußen. Müßte jeden Tag Bescheid kriegen. Aber ich wollte das hier einfach mal versuchen. Ich fand’s schon immer gut.« Wieder bahnt sich ein breites Lächeln an, aber plötzlich kommt ein ernster Ausdruck in ihre Augen, als könnte ich an allem, was irgendwie nach Spaß aussieht, Anstoß nehmen. Was sie wirklich von mir will, ist ein guter, handfester Rat, mein Votum für die eine oder andere Richtung. »Mein Bruder hat für Bowdoin Eishockey gespielt«, sagt sie ohne jeden für mich erkennbaren Grund.
»Ich finde«, sage ich glücklich und ohne eine Spur von Aufrichtigkeit, »mit dem Beruf des Mediziners können Sie nichts falsch machen.« Ich drehe mich in gespielter Munterkeit auf meinem Stuhl und trommle mit den Fingerspitzen auf die Armlehne. »Die Medizin ist eine verdammt gute Wahl. Sie haben auf eine ziemlich nützliche Weise am Leben von Menschen teil, was mir persönlich wichtig ist. Ich bin allerdings überzeugt, daß man das auch als Sportreporter tun kann – recht gut sogar.« Mein verletztes Knie meldet sich mit einem hämmernden Schmerz, der fast mit Sicherheit von meinem Herzen ausgelöst wurde.
»Was hat den Wunsch in Ihnen geweckt, Sportreporter zu werden?« fragt Catherine Flaherty. Sie ist kein Mädchen, dem man was vormacht. Sie hat ihrem Vater einiges abgeguckt.
»Es war so, daß mich jemand in einer Phase gefragt hat, als ich, ehrlich gesagt, einfach keine bessere Idee hatte. Mir waren die erstrebenswerten Ziele ausgegangen. Ich versuchte damals, einen Roman zu schreiben, und das lief nicht wie gewünscht. Ich war froh, daß ich das aufgeben konnte, um hier einzusteigen. Und ich habe es noch keinen Augenblick bereut.«
»Haben Sie Ihren Roman je zu Ende geschrieben?«
»Nein. Wahrscheinlich könnte ich das immer noch, wenn ich wollte. Mein Problem war, daß ich mir sagte, solange ich nicht Cheever oder O’Hara hieß, würde niemand lesen, was ich schreibe, selbst wenn ich es zu Ende brächte, was ich nicht garantieren konnte.
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