Sportreporter
ein Praktikant von einem kleineren College wie Williams. »Der Hund rennt zu spät los, kriegt den Spielzug nicht mit, und dann schafft’s der Hund trotzdem, und wie!« Eddie Frieder, der Chefredakteur, eine Zigarette zwischen den Zähnen und eine Red Sox-Baseballmütze auf dem Kopf, zieht eine Augenbraue hoch und nickt und wendet sich wieder seinen Listen zu. Er ist der Chef hier, aber davon ist nichts zu merken. Die anderen jungen Männer murmeln zustimmend, aber die Meinungen sind immer noch geteilt. Zwei Männer melden ihre Bedenken an, weil der Killer dem anderen einen freundlichen Klaps gegeben hat. Sie vermuten, die Profis könnten das als ein Zeichen für einen nicht genügend ausgeprägten Wettkampfinstinkt ansehen, während andere meinen, das spreche vielmehr für den guten Charakter des Killers. »Der ist erst in der zweiten Runde dran, und da höchstens auf Platz acht«, scheint die allgemeine Einschätzung.
»Was meinst denn du, Frank?« Eddie blickt zur Tür, wo ich halb im verborgenen stehe und nicht angesprochen werden will.
Alle Augen sehen mich – einen lächelnden, schlanken, leicht erröteten Mann in Madras-Hemd und Khakihosen. Zwei der Jungen legen ihren Bleistift aus der Hand und glotzen. Ich bin kein Mann für die Vorschau; ja, Eddie weiß, daß ich Football nicht mal mag, und doch werde ich am Ende wahrscheinlich von dem, was heute hier herauskommt, eine Menge umschreiben und in einem Kasten von der lebenslangen Angst des Killers berichten, er könnte die tödlichen Alkoholprobleme seines Vaters erben (bei wem würde das den Wettkampfinstinkt nicht beeinträchtigen).
»Ich hör viel Gutes über diesen Jungen aus Hawaii, der für Arkansas A & M spielt«, sage ich. »Der läuft wie eine Vier-fünf und geht gern zur Sache.«
»Ist schon weg!« rufen vier Leute gleichzeitig. Köpfe werden geschüttelt. Augen blinzeln. Alle wenden sich wieder ihren Bewertungsbögen zu. Jemand läßt den mörderischen Angriff des Killers noch einmal laufen, und am Tisch wird gekritzelt, was mich wieder daran erinnert, daß ich aus Detroit nichts mitgebracht habe, was hier von Nutzen wäre. »Denver hat ihn für ein Tauschgeschäft mit Miami vorgesehen. Für den kann nichts mehr schiefgehen«, sagt Eddie Frieder für alle und blickt auf seine Notizen.
»Da haben wir den nächsten Millionär, Mike«, witzelt einer.
»Ihr seid die Experten«, sage ich. »Ich komm eben erst aus Altoona zurück.« Ich mache eine Handbewegung in Eddies Richtung und stehle mich davon, an den anderen Büros vorbei und in mein eigenes.
Mein Schreibtisch. Meine Schreibmaschine. Mein Videorecorder. Mein Rollpult. Mein Reservehemd, an der verschiebbaren Trennwand hängend. Mein Telefon mit drei Hausanschlüssen. Mein Blick aus dem nicht zu öffnenden Fenster auf das Dunkel der Stadt. Meine Bilder: Paul und Clary lachend unter einem Schirm, während einer Regenpause bei einem Spiel der Mets. X und Clary in Six Flags-T-Shirts, aufgenommen vor unserer Haustür, ein halbes Jahr vor unserer Scheidung (X wirkt glücklich und optimistisch). Ralph bei einer Geburtstagsparty im Garten hinter dem Haus, offensichtlich gelangweilt. Ein geklebtes Hochglanzfoto von Herb Wallagher mit seinem Detroiter Footballhelm, daneben eines von Herb in einem Anzug, in seinem Rollstuhl im Gras in Walled Lake. Auf dem zweiten lächelt er – die Brille sauber, die Haare gekämmt – glückselig. Auf dem ersten Foto ist er einfach ein Sportler.
Als Strategie habe ich mir vorgenommen, das erstbeste, was mir einfällt, auf einen Notizblock zu schreiben – Sätze, Sprüche, einzelne Gedanken, ein ausgleichendes Wort oder Detail. Als ich noch ernsthaft schrieb, saß ich oft stundenlang über einem einzigen Satz – und meistens hatte ich diesen Satz noch nicht mal aufgeschrieben und hatte meistens auch nicht die leiseste Ahnung, was ich sagen wollte. (Das hätte eigentlich ein Fingerzeig für mich sein müssen.) Doch als ich dann mit den Sportartikeln anfing, fand ich schnell heraus, daß es keine große Rolle spielte, wie der Satz aussah oder ob er überhaupt einen Sinn ergab, da andere – Rhonda Matuzak etwa – ihn nach eigenen Vorstellungen änderten, bevor er in Druck ging. Ich machte es mir zur Gewohnheit, alles so aufzuschreiben, wie es mir einfiel, und schon bald stellte sich heraus, daß die Wahrheit der meisten Dinge genau dort anfing, wo ich aufhörte, mir sorgenvolle Gedanken zu machen, und schließlich konnte ich so schreiben, daß praktisch kein
Weitere Kostenlose Bücher