Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
& Sinigaglia 2008). In Bezug auf das Gelingen der frühen Eltern-Kind-Kommunikation und die Sprachanbahnung im Säuglingsalter können sie dazu beitragen, die einzigartigenPhänomene der frühkindlichen Nachahmung, der intuitiven Natur der elterlichen Kommunikationsfähigkeiten und die adaptiven Funktionen des elterlichen Spiegelns beim frühkindlichen Erwerb sozialer Kognitionsfähigkeiten, Intersubjektivität und Empathie zu erklären.
Adaptive Funktionen der Kommunikation im Säuglingsalter
Die Grunderfahrungen emotionaler Verständigung und Verbundenheit im frühen Säuglingsalter schaffen die Voraussetzungen für eine Vielzahl phasentypischer Entwicklungsaufgaben, die im Erfahrungskontext der Zwiesprache von Eltern und Kind gemeinsam gemeistert werden (M. Papoušek 2004; 2007a). Diese adaptiven Funktionen umfassen das Zusammenspiel von kindlicher Selbstregulation und elterlichen Regulationshilfen in Bezug auf basale physiologische Funktionen, Nahrungsaufnahme und Schlaf-Wach-Organisation, auf die frühkindliche Affekt- und Stress-Regulation sowie auf Grunderfahrungen von Schutz, Geborgenheit und emotionaler Sicherheit für den Bindungsaufbau. Darüber hinaus erfüllt die vorsprachliche Kommunikation im Säuglingsalter vielfältige Funktionen, die für den Beginn des Spracherwerbs unverzichtbar sind: die auditive und beginnende stimmliche Aneignung von Lautinventar und phonologischem Regelwerk der Muttersprache, die Entwicklung stimmlicher Kommunikationsfähigkeiten, den Erwerb von sozialen Kognitionsfähigkeiten und Intersubjektivität, den Aufbau eines gemeinsamen bedeutungstragenden Erfahrungshintergrundes sowie das Erkennen, Verstehen und Benutzen erster Wörter im Kontext gemeinsamer Erfahrungen.
Aneignung von Lautinventar und phonologischem Regelwerk der Muttersprache
Im sozialen Kontext der frühen Kommunikation stimuliert das Hören von Sprache von Geburt an weitgehend verborgene implizite Lern- und Übungsprozesse (Meltzoff et al. 2009), die zunehmend mit Hilfe klassischer experimenteller Paradigmen, Habituations- oder Präferenzstudien, neuerlich auch mit Hilfe ereigniskorrelierter Potentiale (ERP) oder bildgebender Verfahren entschlüsselt werden.
Auditive Wahrnehmung des muttersprachlichen Lautinventars und Regelwerks
Die angeborenen auditiven Wahrnehmungsfähigkeiten des Säuglings sind schon vorgeburtlich auf prosodische Eigenschaften (Intonation, Betonung, Rhythmus) der Muttersprache ausgerichtet. Der experimentelle Nachweis, dass das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt in der Lage ist, die Stimme und Sprache der Mutter wiederzuerkennen und von prosodisch andersartigen Fremdsprachen zu unterscheiden, weist darauf hin, dass das Ungeborene im letzten Drittel der Schwangerschaft bereits prosodische Merkmale der Sprache der Mutter wahrgenommen, bearbeitet und gespeichert hat (Fifer & Moon 1989). Die menschliche Stimme und Sprache zieht auch nach der Geburt die auditive und visuelle Aufmerksamkeit des Neugeborenen auf sich, insbesondere, wenn die Sprache in Form der attraktiven prosodischen Merkmale der intuitiven elterlichen Sprechweise, der sog. Ammensprache, an das Baby gerichtet ist (Cooper 1993; Fernald & Kuhl 1987).
Von Geburt an verfügt der Säugling über die Wahrnehmung der Prosodik hinaus über basale, auch bei Primaten nachweisbare auditive Fähigkeiten, die ihm erlauben, alle Phoneme, die in den Sprachen der Welt als kleinste bedeutungsunterscheidende Lauteinheiten genutzt werden, zu differenzieren (Jusczyk & Bertoncini 1988). Im Lauf des ersten Lebensjahres kommt es im Zuge impliziter auditiv-phonetischer Lern- und Integrationsprozesse zur Angleichung der angeborenen Unterscheidung universeller Sprachlaute an die spezifisch muttersprachlichen Lautkategorien. So bildet sich beim Kategorisieren von Vokalen schon im Alter von 6 Monaten eine messbare Annäherung an die reifen muttersprachlichen Lautkategorien mit ihren spezifischen Formanten (sog. Magneteffekt; Kuhl & Meltzoff 1996). Im Alter von 10 bis 12 Monaten zeigt sich eine weitere Verbesserung im Erkennen und Differenzieren von muttersprachlichen Lautkontrasten und Phonemen, insbesondere auch in komplexeren muttersprachlichen Lautfolgen (sog. Morphemen als kleinsten bedeutungstragenden Lautfolgen; Kuhl et al. 2008). Zeitgleich kommt es zu einem weitgehenden Verlust der anfänglichen Diskriminierungsfähigkeit von fremdsprachlichen Lautkontrasten. Das bekannteste Beispiel betrifft den Verlust der Unterscheidungsfähigkeit von
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