Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
Artikulationsmerkmale reifer Silben erfüllt, die den universellen Grundbaustein aller menschlichen Sprachen darstellen (Oller 2000). Die Silbenketten folgen dem Rhythmus des Sprechens und werden nach und nach durch melodische Intonationsmuster moduliert und phrasiert (M. Papoušek & H. Papoušek 1981). Die Vokale gleichen sich allmählich der spezifischen Formantenstruktur der muttersprachlichen Vokale an (Boysson-Bardies et al. 1989; Kuhl & Meltzoff 1996). Gegen Ende des ersten Lebensjahres folgt schließlich der Beginn des
Einwortstadiums
mit einzelnen umschriebenen, der Muttersprache entnommenen Silbenfolgen, ersten Protowörtern und Wörtern, mit denen das Kind in einem erkennbaren Bedeutungszusammenhang auf ein Ereignis oder einen Gegenstand im Kontext Bezug zu nehmen beginnt (Camaioni 2001; Dore 1975).
Verknüpfung der auditiven phonetischen Lernprozesse mit der stimmlichen Aneignung des muttersprachlichen Lautrepertoires
Wie gelingt es dem Säugling, die gehörten, im auditiven Gedächtnis repräsentierten Sprachlaute in die erforderlichen phonatorischen und artikulatorischen Bewegungsmuster umzusetzen? Alltägliche Lern- und Übungskontexte finden sich im kindlichen Spiel mit der eigenen Stimme in Monologen und im stimmlichen Wechselspiel mit den Eltern und deren intuitiver stimmlicher Responsivität, Modellfunktion und Nachahmungsbereitschaft.
Spiel mit der eigenen Stimme
Man vergisst leicht, dass die Vokalisation ihrem Wesen nach eine motorische Tätigkeit darstellt – mit der Besonderheit, dass sie über die kinästhetische Rückkoppelung der Artikulationsbewegung hinaus unmittelbar hörbare Effekte erzeugt (Liberman & Whalen 2000). Sie bietet dem Säugling daher besondere Möglichkeiten, mit der Stimme zu spielen und in Monologen selbstwirksam neue Lautprodukte zu entdecken, zu erproben, zu automatisieren und sukzessive an die im auditiven Gedächtnis gespeicherten Repräsentationen des muttersprachlichen Lautinventars anzugleichen (Kuhl & Meltzoff 1996; Kuhl et al. 2008; M. Papoušek 1994; M. Papoušek & H. Papoušek 1981). Motor der Lautproduktion scheint dabei die kindliche Funktionslust und Motivation zur Selbstwirksamkeit zu sein (H. Papoušek 2003). Die ansteckende Freude und Ausdauer beim Spiel mit der Stimme lässt sich besonders gut beim Aufwachen, vor dem Einschlafen oder während Exploration und Spielaktivitäten beobachten. Das Spiel mit der Stimme erlaubt dem Säugling, die eigene Artikulationsbewegung mit dem hörbaren Resultat in Beziehung zu setzen und beides zunehmend gezielt zu modifizieren und an die im auditiv-sensorischen Gedächtnis repräsentierten muttersprachlichen Lautmodelle anzunähern, bis Übereinstimmung erreicht wird.
Entwicklung der stimmlichen Nachahmungsfähigkeiten
Ein weiterer, unabdingbarer Einflussfaktor auf die lautsprachliche Entwicklung und den Wortschatzerwerb sind die Nachahmungsfähigkeiten. Interessanterweise stützt sich die stimmliche Nachahmung schon früh auf bimodale Wahrnehmungsprozesse (Kuhl & Meltzoff 1982; Legerstee 1990). Über die auditiveWahrnehmung hinaus macht sie sich auch die visuelle Wahrnehmung der entsprechenden Artikulationsbewegungen zunutze (Legerstee 1990). Schon das Neugeborene ahmt artikulationsartige Mundbewegungen (wie Mundöffnen, Lippenspitzen) nach, wie die klassischen Studien von Meltzoff und Moore (1977) zeigen. Viermonatige Säuglinge sind in der Lage, die auditive und visuelle Wahrnehmung von gesprochenen Vokalen intermodal zu verknüpfen (Kuhl & Meltzoff 1982). Legerstee (1990) konnte nachweisen, dass viermonatige Säuglinge diese Informationsquellen jede für sich erfolgreich zur stimmlichen Nachahmung von Vokalen nutzen können, jedoch noch effizienter nachahmen, wenn sie beide Quellen wahrnehmen und intermodal integrieren können. Die gleiche Fähigkeit liegt dem Lippenlesen zugrunde und der Beobachtung im sozialen Interaktionskontext, dass 2- bis 3-monatige Säuglinge beim Sprechen des Gegenübers vermehrt den Mund anschauen und 4- bis 5-monatige mit zunächst stimmlosen Artikulationsbewegungen antworten. Im Verlauf des zweiten Halbjahres beginnt der Säugling, universelle phonetisch reife Silben und bald auch muttersprachliche Vokale und Lautkontraste unmittelbar nachzuahmen oder aufzugreifen und zeitlich verzögert im Spiel mit der Stimme zu reproduzieren (Boysson-Bardies et al. 1989; Meltzoff 1999).
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Im Dialog mit ihrem Baby neigen die Eltern
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