Sprengstoff
nicht Tom, der würde es direkt an den Manager schicken, und der würde lange dar-
über nachgrübeln.
Eine Kellnerin in einem weißen Nylon-Hosenanzug brachte ihnen das Essen. Er schätzte ihr Alter auf dreihundert Jahre, eher noch dreihundertvier. Das gleiche galt für ihr Gewicht. Sie hatte ein kleines Schild über der linken Brusttasche:
GAYLE
Danke für Ihren Besuch
Nicky’s Restaurant
Tom hatte Roastbeef bestellt, das in einer braunen Sauce auf dem Teller schwamm. Er zwei Cheeseburger, die nicht durchgebraten sein sollten; aber er wußte, daß sie es doch sein würden. Er hatte schon öfter bei Nicky’s gegessen. Die 784-Autobahn verfehlte Nicky’s Restaurant um einen halben Häuserblock.
Sie aßen. Tom beendete endlich seine Tirade über das gestrige Spiel und erkundigte sich, wie weit .der Waterford-Handel gediehen und wie sein Gespräch mit Ordner verlaufen sei.
»Ich werde den Vertrag Donnerstag oder Freitag unterzeichnen«, sagte er.
»Ich dachte, die Option läuft am Dienstag aus?«
Er wiederholte noch mal die Geschichte von Thom McAn, der nun plötzlich doch nicht mehr an Waterford interessiert sei. Es machte keinen Spaß, Tom Granger zu belügen. Sie kannten sich schon seit siebzehn Jahren, und Tom war nicht besonders intelligent. Ihn zu belügen, war keine große Herausforderung.
»Oh«, sagte Tom nur, als er fertig war, und dann wurde über das Thema nicht mehr geredet. Tom schob sich ein Stück Roastbeef in den Mund und lächelte verschmitzt.
»Warum essen wir eigentlich hier? Der Fraß ist fürchterlich, und nicht einmal der Kaffee schmeckt. Selbst meine Frau kann besseren Kaffee kochen.«
»Ich weiß auch nicht«, antwortete er und nutzte die Gelegenheit. »Erinnerst du dich noch an das neueröffnete italienische Restaurant? Wir sind mal mit Verna und Mary hinge-gangen.«
»Ja, das war im August. Verna schwärmt heute noch von dem Ricotta … nein Rigatoni. Ja, so heißt das, Rigatoni.«
»Kannst du dich auch noch an den Mann erinnern, der am Nebentisch saß? So ein großer, fetter Kerl.«
Tom kaute nachdenklich und versuchte, sich zu erinnern.
»Groß … dick …« Er schüttelte den Kopf.
»Du hast gesagt, er wäre ein Verbrecher.«
»Ohhh.« Er riß die Augen auf, schob seinen Teller weg und zündete sich eine Herbert Tareyton an. Das Streichholz ließ er auf den Teller fallen, wo es in der Sauce schwamm. »Ja, richtig, Sally Magliore.«
»Heißt er so?«
»Ja, so heißt er. Großer Kerl mit dicken Brillengläsern. Ein neunfaches Kinn. Klingt wie die Spezialität eines italienischen Puffs, nicht wahr? Einäugiger Sally wurde er immer genannt, weil er auf einem Auge den grauen Star hatte. Er hat es vor drei oder vier Jahren in der Mayo-Klinik wegoperieren lassen … den Star, meine ich, nicht das Auge. Ja, mein Gott, er ist ein richtiger Gangster.«
»Was macht er so?«
»Was machen sie alle?« fragte Tom zurück und schnippte die Zigarettenasche auf seinen Teller. »Drogen, Mädchen, Glücksspiel, Schiebung, Kreditwucher. Und sie bringen sich gegenseitig um. Hast du es neulich in der Zeitung gelesen?
Sie haben hinter einer Tankstelle eine Leiche im Kofferraum eines Wagens gefunden. Sechs Schüsse im Kopf und die Kehle durchgeschnitten. Das ist doch nun wirklich lächerlich. Wozu muß ich einem Kerl, dem ich sechs Löcher in den Kopf geschossen habe, noch die Kehle durchschneiden? Organisiertes Verbrechen, das ist es, was der einäugige Sally be-treibt.«
»Hat er auch ein offizielles Geschäft?«
»Ja, ich glaube. Weit draußen im Industriegebiet hinter Norton. Er verkauft Gebrauchtwagen. Magliores Garantiert Neuwertige Gebrauchtwagen. In jedem Kofferraum liegt ‘ne Leiche.« Tom lachte und schnippte noch mehr Asche auf seinen Teller. Gayle kam an ihren Tisch und fragte, ob sie noch mehr Kaffee haben wollten. Beide bestellten noch eine Tasse.
»Ich hab’ heute die neuen Splinte für die Boilertür gekriegt«, sagte Tom. »Sie erinnern mich an mein Ding.«
»Oh, wirklich?«
»Ja, du solltest dir die Biester mal ansehen. Zwanzig Zentimeter lang und gut acht Zentimeter im Durchmesser.«
»Sag mal, du redest doch wohl nicht von meinem Ding, oder?« Sie lachten und redeten weiter übers Geschäft, bis es Zeit war zurückzugehen.
An diesem Nachmittag stieg er schon in der Barker Street aus dem Bus und ging zu Duncan’s, einer kleinen, ruhigen Bar in der Nachbarschaft. Er bestellte ein Bier und hörte sich eine Weile Duncans Gejammer über das gestrige
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