Spring in den Himmel
»Und da dachte ich mir: Die Kerle kriegen dich nicht.«
Wie meinte die das jetzt?
Yoyo lachte. »Ja, ich hab das alles eiskalt geplant. So wie die dich behandelt haben, da kann ich doch nicht einfach sitzen bleiben und schadenfroh zuschauen wie alle anderen.«
»Danke.«
Es kam heiser heraus. Mehr als dieses eine Wort fiel ihr auch nicht ein.
Yoyo grinste. »Du hättest es aber fast vermasselt, weil du stehen geblieben bist wie festgeleimt.«
»Du bist zusammengebrochen …«
»Ich wollte die Typen ablenken. Aber wirklich süß, dass du dir Sorgen um mich gemacht hast.«
Yoyos lautes Lachen. Jamina hatte das Gefühl, dieses geheimnisvolle Mädchen lache sie aus, weil sie nichts checkte, weil sie naiv war.
Sie gingen weiter, die Leopoldstraße entlang in Richtung Siegestor, ohne eigentliches Ziel. Jamina betrachtete Yoyo immer wieder von der Seite. Sie sah strange aus und benahm sich auffällig, aber doch war sie ihr irgendwie nah durch das gemeinsam bestandene Abenteuer.
»Wie kann ich mich bei dir bedanken?«
»Spendier mir 'ne Cola.«
Jamina überlegte. Sie sollte längst zu Hause sein, ihr Vater wartete sicherlich schon. Er musste zur Spätschicht ins Pflegeheim und die Mutter war noch bei der Arbeit. Jamina sollte mit ihrem kleinen Bruder Schulaufgaben machen, vielleicht noch einkaufen, das Abendessen vorbereiten …
Yoyo dauerte das offenbar zu lange: »Okay, ich besorge was zu trinken.«
»Warte.« Jamina kramte drei Euro aus ihrer Geldbörse. »Das müsste doch reichen, oder?«
Yoyo grinste, dann verschwand sie in einem Supermarkt.
Jamina stand draußen wie bestellt und nicht abgeholt. Was sollte sie tun? Sie konnte doch diesem Mädchen, das sie gerade gerettet hatte, nicht sagen, dass sie keine Zeit mehr hatte.
Ich muss auf meinen kleinen Bruder aufpassen, wie klang das denn?
Und wenn Yoyo sie nicht gerettet hätte, säße sie jetzt auf dem Bahnsteig fest mit den Kontrolleuren.
Also … eine Viertelstunde musste doch drin sein.
Jamina holte ihr Handy heraus und schickte ihrem Vater eine SMS.
Komme etwas später. Jamina.
Sie wollte das Handy gerade einstecken, als Yoyo aus dem Supermarkt kam. In der Hand hatte sie eine Packung Kaugummi.
»Ich dachte, du wolltest Cola …«
»Die anderen Sachen hab ich schon eingepackt. Wir suchen uns einen netten Platz im Englischen Garten und lassen es uns gut gehen.«
An Yoyos amüsiertem Lachen merkte Jamina, wie erstaunt sie offenbar gerade guckte. Yoyo öffnete den Seesack und holte ein paar Sachen heraus: Chips, Schokolade, Schampus.
»Und das alles für drei Euro?«
»War ein Sonderangebot.«
Eine kleine weiße Hand mit grünen Fingernägeln, die nach ihrem Arm griff. »Los, komm. Ich hab Hunger.«
Jamina schüttelte Yoyos Arm ab: »Ich hab nicht viel Zeit …«
»Wartet dein Freund?«
Diese direkte Art. Mit einer kleinen Frage machte die Fremde einfach ein Riesenthema auf. Jungs … Sie hätte nur ›Nein‹ sagen müssen. Warum tat sie's nicht?
»Ich hab keinen Freund.«
»Wundert mich«, murmelte Yoyo und machte sich am Verschluss der Champagnerflasche zu schaffen. Die Blicke der Passanten interessierten sie offenbar nicht.
»Du bist sehr hübsch und total nett …«
»Die meisten Jungs, die ich kenne, sind echt doof …«
»Laufen wirklich viele Idioten rum«, murmelte Yoyo und schraubte nun am Draht, der den Korken hielt. »Und ich muss es wissen, bin ja wahrscheinlich ein bisschen älter als du.«
»Wie alt denn?«
»Siebzehn.«
Jamina war überrascht. Nur ein Jahr älter … Sie nahmihren ganzen Mut zusammen. »Du hast also auch keinen Freund?«
Yoyo schüttelte den Kopf und versuchte, den Korken zu drehen.
»Der Kerl, der mir gefällt, muss erst erfunden werden.«
Jamina lächelte. Das konnte sie sich gut vorstellen.
»Verliebtsein macht sowieso blöd.« Yoyos Stimme klang gepresst, weil sie sich sehr anstrengen musste. Doch der Korken bewegte sich nicht.
Jamina lachte über Yoyos Bemerkung. Ja, Verliebtsein machte irgendwie doof. Dabei dachte sie an ihre Schulfreundin Sophia. Als die ihren ersten Freund gehabt hatte, war auf einmal keine Zeit mehr für sie gewesen.
Mit einem großen Knall fuhr der Korken aus der Flasche und fiel erst einen Meter weiter zu Boden. Passanten starrten kopfschüttelnd auf Yoyo, die lachend die Flasche hielt, aus der eine Fontäne Champagner auf ein Auto spritzte.
»Endlich! Na dann: Prost.« Yoyo hielt Jamina die Flasche hin, aber die schüttelte den Kopf.
Alkohol am Nachmittag, mitten
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