Spring in den Himmel
leise in der Küche reden, sie hörte Rafik auf ihr Zimmer zuschlurfen.
»Ich will dich nicht zum Bahnhof bringen.«
Er kämpfte mit den Tränen. Jamina nahm ihn in den Arm.
»Das ist schade.«
»Ich find's total blöd, dass du weggehst.«
»Aber ich komme doch bald wieder. Außerdem kannst du mich doch in den Ferien besuchen – mit Mama und Papa.«
Er wirkte nicht so ganz überzeugt. Für ihn waren die nächsten Ferien Jahre entfernt. Er sah auf Jaminas Laptop, den sie noch nicht in ihrer Tasche verstaut hatte.
»Wir sehen uns im Computer.«
Jamina nickte. »Wir telefonieren über Skype. Dann kannst du mich immer anschauen, wenn du mit mir redest.«
»Und du rufst jeden Tag an?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber so oft wie möglich. Versprochen.«
Rafik lächelte schwach.
»Ich hab dir noch eine Überraschung in deinen Rucksack gesteckt.«
»Aber wenn's eine Überraschung ist, dann darfst du es doch nicht sagen!«
»Mist! Wollt ich auch nicht.«
»Okay, wann darf ich sie anschauen? Wenn der Zug losfährt?«
»Erst wenn du in Frankreich bist.«
Eines hatte sie noch zu erledigen – und sie drückte sich seit Wochen davor. Es blieb nur noch wenig Zeit, doch Jamina wollte nicht gehen, ohne auch diese Geschichte hinter sich zu lassen. Sie setzte sich zum letzten Mal an ihren Schreibtisch und begann zu schreiben.
Liebe Yoyo,
ich nenne Dich so, denn nur unter diesem Namen kenne ich Dich. Friederike bist Du für meine Eltern, Nele für Deinen Vater.
Ich hab nichts mehr von Dir gehört und mich auch nicht mehr bei Dir gemeldet. Unsere Wege haben sich getrennt.
Danke für Deine Freundschaft. Ich hatte ein recht kleines Leben, bevor ich Dich getroffen habe. Jetzt weiß ich, dass man seine Wünsche und Träume nicht verraten darf. Dass man viel erleben kann, wenn man sich auch was zutraut und was nimmt, das habe ich mit Dir oft erfahren können.
Danke für unsere Abenteuer. Meine Welt ist ziemlich gewachsen, weißt Du. Ich, die schüchterne, ängstliche Jamina, gehe für ein paar Monate nach Paris.
Ich glaube, Du brauchst mehr Nähe, so was wie diese Familie hier in ihrer kleinen Wohnung. Aber ich brauche mehr Weite, weil ich gar nicht weiß, was es sonst noch gibt.
Mach's gut, Yoyo. Pass auf Dich auf, ich vergesse Dich nicht. Such Dir gute Freunde.
Jamina
Sie las den Brief noch einmal durch, steckte ihn in einen Umschlag, schrieb die Adresse drauf, die sie jetzt ja kannte. Am Bahnhof würde sie ihn einwerfen. Dann konnte ein neues Abenteuer beginnen. Ein Abenteuer ohne Yoyo.
Informationen zum Buch
Wer ist Yoyo wirklich?
Das Mädchen, das Jamina vor den U-Bahn-Kontrolleuren gerettet hat?
Diejenige, die Jamina mit ihren verrückten Ideen und ihrer Energie mitreißt? Das Mädchen mit den zig verschiedenen Lebensgeschichten? Das Mädchen ohne jede Skrupel?
Jaminas beste Freundin oder ihre Feindin?
Informationen zur Autorin
Lotte Kinskofer
wurde in der Nähe von Regensburg geboren und wuchs auch dort auf. Zum Studium der Germanistik, Anglistik und Kommunikationswissenschaften kam sie nach München – und blieb. Nach Stationen bei verschiedenen Zeitungen schreibt sie heute Bücher, Erzählungen fürs Radio und Drehbücher – für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
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