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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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neues Nummernschild drangehängt. Wollte das Risiko, von den Bullen entdeckt zu werden, möglichst gering halten.
    Jorge, der Racheengel, würde das gesamte Radovanimperium zu Fall bringen. Er musste nur noch den wunden Punkt finden.
    Das Einzige, was er im Moment wusste, war, dass sein Hass übermenschlich war. Eine Vendetta, die weitaus mehr Geduld verlangte als die Flucht aus Österåker. Er würde Nachforschungen betreiben, ihn beschatten müssen, eins und eins zusammenzählen. Radovans dunkle Machenschaften ans Licht bringen. Als Erstes den Tagesablauf von Herrn R in Erfahrung bringen. Ein guter Auftakt: im Auto zu sitzen und nachzudenken und darauf zu warten, dass etwas Verdächtiges passieren würde.
    Auf der Straße passierte nichts.
    Er betrachtete das Haus.
    Auf dem Dach lag Schnee.
    Unklar, ob jemand zu Hause war.
    Er studierte jeden Winkel des Gebäudes, als wäre er zurück auf dem Komvux – ein Kurs über die Architektur von Villen.
    Zwischen fünf und sechs Uhr nachmittags döste er ein. Nicht gerade prickelnd. Musste sich irgendwie wach halten. Morgen würde er Kippen, Coca-Cola und vielleicht einen Gameboy dabeihaben.
    Der Tag verging.
    Der Hass blieb.
     
    Einige Tage später saß er wieder vor dem Haus.
    Zwang sich nachzudenken, wie er seinem Hass auf Radovan würde Luft machen können. Die Idee dazu war ihm erst vor einer Woche gekommen. Vorher hatte er jegliche Gedanken daran von sich geschoben. Hatte lediglich auf der Flucht überleben wollen. Sich auf Abdulkarims Geschäfte konzentrieren müssen. Einen guten Job machen. Schotter verdienen. Sich einen Pass besorgen müssen. Um das Land verlassen zu können. Inzwischen konnte er es genießen, sich unerkannt in der Stadt zu bewegen. Der Gedanke daran, aus Schweden abzuhauen, erschien ihm langsam zu kompliziert. Stattdessen: Wenn er genügend Kronen zusammenhätte, würde er seinen Rachefeldzug gegen Radovan starten.
    Ein Gedanke: Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass er bereits indirekt für Radovan arbeitete. Jorge kannte sich aus in Koks-Stockholm. Es gab nicht so viele Pusher, die in ähnlich großem Umfang dealten wie Abdulkarim. Manchmal kam ihm der Araber zwar lächerlich vor, aber Jorge wusste – der Typ hatte den absoluten Durchblick, was Kokain betraf. Letztlich war es Jorge auch schnuppe. Es war nicht besonders wahrscheinlich, dass Rado ausgerechnet Abduls Boss war – Serben und Muslime konnten nicht gerade gut miteinander. Und wenn es doch Radovan war, der den Chefsessel innehatte, war die Ironie perfekt.
    Er musste nebenbei noch ein anderes Projekt planen, seinen ersten umfangreichen Job für den Araber. Trug die Verantwortung dafür, dass eine Ladung Koks ohne Probleme eingeschleust werden konnte, direkt aus Brasilien.
    Das war sein Spezialgebiet.
    Das Grundprinzip: Ein altbekannter Trick kann funktionieren, wenn man ihn nur richtig angeht. Jorge hatte alles vorbereitet. Es würde sich um eine bedeutend größere Menge handeln als sonst. Kokain, das er über die Kontakte von Kontakten in Brasilien aufgetan hatte. Preiswert. Vierzig Dollar das Gramm. In den letzten Monaten intensiver Telefonverkehr. Bis der Deal fertig gedealt war: die Tickets gebucht, Handys mit neuer SIM -Card besorgt, diverse Kontakte aktiviert, die Zollbeamten in São Paulo bestochen. Das Hotelzimmer reserviert. Und schließlich das Wichtigste – einen Kurier organisiert. Es war eine Frau.
    Das System auf Fehler untersucht. Abdulkarim den Plan noch einmal checken lassen.
    Und schließlich: Ein alter Trick kann funktionieren, wenn man ihn richtig angeht. Die Polizei und der Zoll in Arlanda waren schärfer hinter Kurieren her als kleine Ghettojungs hinter den Gangs, denen sie angehören wollten. Sie waren wie die Kletten.
    Jorge wiederholte es im Stillen: Er würde es richtig machen.
     
    Er ging sein Racheprogramm noch einmal durch. Diverse Fragen tauchten auf. Was wusste er eigentlich über Radovan? Aus der Zeit vor dem Knast, als er noch für die Jugomafia Koks gepusht hatte, eine ganze Menge. Die Abläufe unterlagen strengen Regeln. Ungefähr einmal die Woche holte er sich einen Schlüssel aus einem Schließfach am Hauptbahnhof ab. Fuhr danach zu einem Lagerraum von Shurgard in Kungens kurva, wo er jedes Mal zehn bis fünfzehn Gramm abwog. Vertickte das Zeug in den nördlichen Vororten, manchmal auch in den Kneipen in der Innenstadt. Ab und zu an andere Dealer, oder er brachte das Zeug selbst an den Mann. Simpler Job. Und trotzdem verdiente er nicht

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