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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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erörtert wurden, die Jorge die Auswirkungen seines eigenen Benehmens deutlich machen sollten. Leider hat sich sein destruktives Verhaltensmuster während des laufenden Schuljahres verschlechtert, was ich bereits mit ihm selber und Ihnen am 3 . Februar dieses Jahres besprochen habe. Die Schule sieht keine andere Möglichkeit, als Jorge für den obengenannten Zeitraum vom Unterricht auszuschließen. Die Gemeinde Sollentuna bietet die Möglichkeit des Heimunterrichts an. Bitte nehmen Sie zwecks weiterer Informationen Kontakt mit mir auf. Rektor Jan Lind.
Mama hatte geweint. Rodriguez ihn geschlagen. Jorge hatte gedacht: Wenn mein richtiger Papa hier gewesen wäre, hätte er mich mit zurück nach Chile genommen. Nur Paola war nicht böse, nicht apathisch. Hatte nicht nach Ausflüchten gesucht. War einfach nett gewesen. Die Einzige, die vernünftig mit ihm sprach. Obwohl er ein harter Bursche war, fand er es beruhigend, mit ihr zu reden. Sie erklärte ihm: »Du bist Mamas und mein Prinz. Das darfst du nie vergessen. Was immer du tust. Du bist unser Prinz.«
     
    Jemand rief Jorges Namen im Wald. Er konnte nicht noch regloser daliegen, als er es schon tat. Waren die Jugos etwa zurück?
    Es tauchte keiner auf.
    Wie lange hatte er schon dort gelegen? Zehn Minuten? Zwei Stunden?
    Die Kotze stank.
    Er war am Ende. Die Jugos smarter, als er gedacht hatte. Er hätte noch aufmerksamer sein müssen. Es lag wahrscheinlich am Kater. Wie lange hatten Mrado und sein Kumpane ihn eigentlich schon verfolgt? Sie waren jedenfalls nicht im Bus gewesen. Sie hatten auch nicht in seinem U-Bahn-Wagen gesessen. Er hatte sie nicht an der Bushaltestelle gesehen. Nicht mitgekriegt, dass ein und dasselbe Auto hinter dem Bus hergefahren war. Waren sie ihm etwa direkt von Sollis aus gefolgt? Wie konnten sie überhaupt wissen, dass er bei Vadim gewesen war? Ein Verdacht: Das Russenschwein hatte ihn verpfiffen. Oder jemand in der Kneipe letzte Nacht. Erkannten ihn die Leute etwa doch wieder? Alles Pisser.
    Er versuchte sich zu bewegen, begann mit einem kleineren Körperteil, dem Zeigefinger. Spürte ihn zuerst nicht. Drei Sekunden später pochte sein ganzer Arm vor Schmerzen. Es tat höllisch weh. Er schrie laut auf. Pfiff darauf, ob die Jugos in der Nähe waren.
    Wieder rief jemand seinen Namen.
    Er kotzte erneut.
     
    Gebete, die ihm auf der Zunge lagen:
La madre que te parió.
Gedanken in seinem Kopf: Auf wen konnte er sich jetzt überhaupt noch verlassen? Auf Sergio? Eddie? Ashur? Konnte er sich an seine Mutter wenden? Sollte er es wagen, seine Schwester anzurufen? Die Flucht aus dem Gefängnis war glattgegangen, reibungslos. Schnell. Das Beste überhaupt bisher. Aber das Leben danach – Jorgelito hatte zu kurz gedacht. Geglaubt, dass es leicht sein würde. Hatte denselben Fehler wie alle anderen gemacht, war schwach geworden, hatte wild gefeiert. Soziale Kontakte gebraucht.
    Er versuchte, die Augen zu öffnen.
    Um ihn herum Tannen. Das Licht ließ den Boden fleckig erscheinen. Braun, mit Tannennadeln übersät, kahl. Keine Vögel zu hören.
    Was würde jetzt geschehen? Es war eine Sache, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um an Radovans Cash zu kommen. Aber dafür das Leben seiner Schwester aufs Spiel zu setzen?
    Er dachte an seine beiden Tattoos. Auf der rechten Schulter ein grinsender Teufel. Ganz in Schwarz eintätowiert. Drum herum rote, orangefarbene und gelbe Flammen. Auf dem Rücken ein Kruzifix mit dem Text: The Man, in gotischer Schrift. Er hatte geglaubt, er sei
The man with the master plan,
aber eigentlich war er ein Loser. Fuck up.
    Unterm Strich: ein Verlierer.

26
    Ein Edelyuppie auf einem Spaziergang im Märchenwald. JW machte sich auf die Suche nach Jorge. Es gab zwei Alternativen: Entweder lag der Chilene irgendwo verletzt zwischen den Bäumen, oder die Jugos hatten ihn in ihr Auto verfrachtet und mitgenommen.
    Er begann auf der rechten Seite des Weges. Ging im Zickzack, erst ungefähr zehn Meter in den Wald hinauf, danach wieder schräg zum Weg hinunter. Dann wieder zehn Meter geradewegs in den Wald hinein.
    Dachte an
Spaceballs.
»Durchkämmen Sie das Gelände!«, befahl die Darth-Vader-Karikatur. Im nächsten Schnitt zogen seine Helfer große Kämme über den Boden. Mel Brooks – so dämlich und dennoch so genial.
    JW durchkämmte den Wald.
    Fand keinen Jorge zwischen den Tannen.
     
    Eine Stunde und zwanzig Minuten zuvor war JW im Malmväg eingetroffen, gerade noch rechtzeitig, um jemanden, der aussah wie Jorge, aus

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