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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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vorbeizukommen und ihm die in Aussicht gestellten Kröten zu bringen.
    Zog seine Lederjacke an. Steckte sich einen Gummiknüppel in die Innentasche. Steckte den Revolver in das Halfter. Ging hinunter zum Wagen.
    Fuhr den Weg nach Sollentuna raus, den er inzwischen auswendig kannte. Jetzt würde es, verdammt noch mal, endlich so weit sein.
     
    Welche war die smarteste Methode? Direkt in die Wohnung zu stiefeln wie bei Sergio und seiner Tussi? Das Risiko war groß, dass sich Vadim, Jorge und vielleicht noch andere Personen dort aufhielten, die nicht so leicht zu überwältigen waren wie Sergios kreischendes Weibsbild. Risiko Nummer zwei: Wenn die Nachbarn etwas hörten und die Bullen auftauchten, würde Jorge wieder in den Knast wandern. Der Latino würde große Teile des Jugoimperiums mit seinem Wissen zu Fall bringen können. Schlussfolgerung: Mrado wollte sich den Ausbrecher schnappen, wenn er alleine war.
    Von unterwegs rief er Ratko, Bobban und seine anderen Kumpels an. Fragte sie, ob sie Vadim kannten. Wer der Typ war. Ob er gefährlich war. Beauftragte sie, herumzutelefonieren und mehr in Erfahrung zu bringen: ob der Typ arbeitete, wo er arbeitete. Mit wem er rumhing. Ob er eine Waffe bei sich trug.
    Mrado beobachtete den Hauseingang. Menschen, die rein- und rausgingen. Stellte fest: Für diese Zeit am Tag waren ungewöhnlich viele Leute unterwegs. Asis, Fixer, Frauenschläger, andere Kriminelle, zusammengepfercht in derselben Sorte von Mietskaserne, in der er selbst auch aufgewachsen war.
    Mrado war mitten im Gespräch mit Bobban, als eine Person, die aussah wie Jorge, aus der Tür kam.
    Er hatte den Latino vier- oder fünfmal zuvor gesehen. Das letzte Mal: während des Gerichtsverfahrens, in dem er als Zeuge ausgesagt hatte, woraufhin Jorge für sechs Jahre hinter Gitter gewandert war. Radovan und Mrado hatten ihn ans Messer geliefert – gewisse Verluste musste man eben hinnehmen. Damals: der Latino ein junger, eigensinniger Typ in fescher, aufgedonnerter Kleidung. Goldkette mit Kreuz. Gegelte Haare. Gestylter Dreitagebart. Flink wie ein Wiesel mit vorlautem Mundwerk. Heute: Die Person vor seinem Auto sah wie ein verdammter Neger aus. Gelocktes Haar, dunkelbraune Haut. Ging wie ein Rastafari, trödelte vor sich hin, wackelte mit den Hüften. Ausgebeulte Hosen, dreckige Steppjacke. Aber abgesehen von der ausgezehrten Erscheinung war da noch etwas anderes – Vitalität.
    Das musste der Latino sein.
    Mrado sank tiefer in den Fahrersitz. Sah, wie Jorge sich umguckte. Und dann in Richtung Bahnhof ging. Zu viele Leute unterwegs, um etwas zu unternehmen.
    Mrado wartete, bis Jorge auf seinem Weg hinunter zum Bahnhof um die Ecke gebogen war. Dann stieg er aus dem Wagen. Setzte eine Sonnenbrille auf. Wickelte sein Halstuch enger und zog es bis zum Kinn. Betete zum großen Autogott: Mach, dass mein Wagen ohne Schramme, ungeknackt und nicht geklaut in der gefährlichsten Straße von Sollentuna stehenbleibt.
    Ging zu der Ecke, an der Jorge abgebogen war.
    Jorge nahm nicht die Treppen nach oben zu den Gleisen der Vorortzüge, sondern ging geradeaus weiter. Rauf ins Zentrum von Sollentuna. Mrado hielt gebührenden Abstand. Gleichzeitig wollte er Jorge nicht aus den Augen verlieren.
    Rein ins Einkaufszentrum. Mrado wartete einige Sekunden vor den automatischen Schiebetüren, bevor er ihm folgte. Genau in dem Moment, als er reinkam, sah er Jorge in den ICA -Laden gehen. Mrado schlüpfte kurzerhand in den Computerladen Expertbutik gegenüber. Was für ein Schnüffler er doch war, noch gewiefter als Martin Beck. Er rief Ratko an. Fragte ihn auf Serbisch: »Ratko, wo bist du? Es ist wichtig.«
    Ratko war während der letzten Telefonate sauer gewesen, wegen des ausgearteten Auftritts bei Sergio. Jetzt merkte er offensichtlich, dass es Neuigkeiten gab.
    »Bin zu Hause. Guck grade Tourenwagen-Meisterschaft. Hast du ihn gefunden?«
    »Japp. Er hat bei ’nem Kumpel in Sollentuna übernachtet. Macht sich jetzt auf den Weg. Halt dich bereit. Geh schon mal zu deinem Wagen.«
    »Ausgerechnet jetzt, wo’s so gemütlich war. Wohin soll ich kommen?«
    »Weiß noch nicht. Mach dich einfach nur startklar.«
    »Steh schon vor meiner Tür.«
    »Schön. Ich meld mich. Hej.«
    Jorge kam aus dem Laden raus. Zwei Tragetaschen in jeder Hand. Sahen aus, als seien sie mit Lebensmitteln gefüllt. Der Latino war bestimmt auf dem Weg zu seinem Versteck.
    Er folgte ihm zum Bahnhof. Grundregel: keine hektischen Bewegungen, wenn du jemanden verfolgst.

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