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Spur ins Eis

Spur ins Eis

Titel: Spur ins Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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wurde lauter, und die De Havilland Twin Otter dröhnte nach Süden.
    Bis nach Anchorage waren es sechshundert Kilometer. Zwei Stunden bis in die Zivilisation. Devlin blickte sich in der Kabine um. Sie griff nach der Hand ihrer Mutter und verschränkte ihre Finger mit ihren. Rachael lächelte. Das Motorengeräusch war viel zu laut, um etwas zu sagen.
    Devlin schaute aus dem Fenster und sprach ein Gebet für Buck Young. Der Buschpilot war gestern früh auf dem inneren See gelandet, hatte sie gefunden und war dann nach Fairbanks geflogen, um Hilfe zu holen.
    Devlin blickte auf die Welt unter ihnen und dachte : Irgendwo da unten, unter all dem Schnee, liegt Kalyn. Ihr Vater hatte bis zum Morgengrauen nach den Leichen gesucht, aber der Wind hatte sie mit Schnee zugedeckt. Erleichterung und Trauer hielten sich bei Devlin die Waage. Sie würde sich immer an den Flug hierher erinnern, und noch Jahre später würde sie an diesen Moment denken, weil er sie für ihr ganzes Leben geprägt hatte.
    Bald schon waren die Wolverine Hills nur noch bewaldete Erdwellen. Sie wandte sich vom Fenster ab, von dieser Wildnis, die sie nie wieder sehen würde, und schluckte, um den Druck auf ihren Ohren zu verringern.
    Sie flogen über den Golf von Alaska. Glitzerndes, dunkelblaues Wasser erstreckte sich bis zum Horizont. Devlin beobachtete die Öltanker, die sich nach Süden zum Pazifik und zum amerikanischen Kontinent bewegten.
    Die De Havilland wurde langsamer und flog tiefer. Jetzt flogen sie wieder über das Festland, und als Devlin aus dem Fenster blickte, konnte sie die Skyline von Anchorage sehen. Dahinter erhob sich die glänzende Eisfläche der Chugach Mountains.

74
    Kurz vor ein Uhr mittags landeten sie auf der Lake Hood Seaplane Base. Zwei Reihen vor ihr begann eine Frau unkontrolliert zu schluchzen, so laut, dass jeder es hören konnte, sogar über dem Dröhnen der Propeller.
    Eine weitere Frau begann zu weinen, dann eine dritte. Sie saßen alle auf Devlins Seite des Flugzeugs, und als sie über ihren Sitz blickte, sah sie, dass alle aus dem Fenster schauten.
    Sie blickte durch die Scheiben, an denen das Seewasser herunterlief. Sie glitten auf eine Reihe von Anlegestellen zu, und direkt vor ihnen befand sich ihr Steg. Ein Dutzend Krankenwagen parkten an einem Ende, die hinteren Türen weit geöffnet, Sanitäter mit Liegen standen daneben. Hinter den Ambulanzen zahlreiche Streifenwagen mit blinkendem Blaulicht, die die Frauen zum Providence Alaska Medical Center eskortieren würden, angeführt von zwei Feuerwehrwagen, die ebenfalls dort standen. Ein Parkplatz in der Nähe füllte sich rasch mit Autos, Vans, drei neuen Trucks mit riesigen Satelliten auf den Dächern, die die Szene in die ganze Welt übertragen würden.
    Am Ufer hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Die Leute fotografierten, machten Videos. Feuerwehrleute und Polizisten standen entlang einer Absperrung.
    Die Frau zwei Reihen hinter Devlin schrie plötzlich : »O Gott, da ist Jimmy ! Es ist Jimmy ! Er ist ein Teenager !«
    Eine Handvoll von Leuten, die vor die Absperrung durften, hatte sich am Ende des Piers versammelt – Ehemänner, Geschwister, Kinder, Eltern –, und Devlin konnte sehen, wie sie riefen, weinten oder einfach Schilder hochhielten, auf denen stand »Ich liebe dich«.
    Der Motor ging aus.
    Devlin blickte ihre Mutter, ihren Vater an und sah, dass auch ihnen die Tränen übers Gesicht liefen. Alle waren so von ihren Gefühlen überwältigt, dass die ganze Luft aus der Kabine zu weichen schien. Die Frauen auf der anderen Seite des Gangs hatten sich abgeschnallt und aus ihren Sitzen erhoben, um durch die kleinen Fenster nach ihren Angehörigen Ausschau zu halten.
    Die Pontons knallten dumpf gegen die Holzpfosten, und die Mannschaft machte sich daran, das Flugzeug festzumachen.
    Die Familien der Frauen drängten sich am Ende des Piers, und Devlin sah einen Mann, der mit ausgestreckter Hand beinahe das Bullauge erreichte, hinter dem das Gesicht seiner Frau zu sehen war.
    Seine Stimme war gedämpft, aber Devlin hörte ihn sagen : »O Gott, Melinda ! O Gott !«
    »Jeff !«
    Ein Polizeibeamter trat zu dem Mann und klopfte ihm freundlich auf die Schulter. »Sir«, sagte er, »ich weiß, das ist ein besonderer Augenblick, aber es gibt Frauen an Bord, die sofort medizinische Hilfe brauchen.«
    »Ich bin hier, Melinda !«, schrie er. »Hier !«
    Der Polizist führte ihn und die anderen ein wenig vom Flugzeug weg.
    Der Pilot öffnete die Tür der Maschine.

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