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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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vonnöten sein. Momentan fuhren sie durch den engen Ortskern Niedernhausens, Richtung Buchhandlung. Der Polo bog ab, doch vor der Kirche rangierte jemand aus einer Parklücke, und Zinkel ließ ihn dazwischen. Am Ende der Straße angekommen, hielt Lindenau, um einen Bus passieren zu lassen, und blinkte links. Wollte er wirklich zur Buchhandlung? Merkwürdig.
    Nein, er fuhr an, scherte Richtung Bahnhof, beschleunigte, war außer Sicht. Der Fahrer vor ihm hatte Probleme mit der Kupplung, ruckelte, endlich schaffte er es, den Weg freizumachen. Zinkel ignorierte zwei jugendliche Fußgänger am Zebrastreifen und preschte den kurzen Berg hinan, rechts oder links? Nichts zu sehen, rechts hieß fort, links Bahnhof, sein Bauch sagte links, Kopf rechts, viel logischer. Er fuhr links.
    Lindenaus Wagen stand in Gegenrichtung, Scheinwerfer noch eingeschaltet und Auspuffgase ausstoßend. Wollte er jemanden abholen? Zinkel fuhr an ihm vorbei, über den Parkplatz, und gerade, als er hinter ihm zum Stehen kam, öffnete sich die Beifahrertür und Franziska fiel heraus, kippte einfach zur Seite, was sollte das denn, lebte sie nicht mehr? War alles umsonst gewesen? Zu spät, verdammt noch mal, zu spät, jetzt fliegt ein Bündel hinterher, über sie hinweg, kein Bündel, ein Rucksack, glaubt er zu erkennen, und Lindenau fährt an, beschleunigt mit quietschenden Reifen, dass die Wagentür zuschlägt, was nun? Zinkels Blick fliegt von Franziska zum sich schnell entfernenden Fahrzeug und wieder zurück, er gibt Gas und prescht hinterher. »Dringend!«, schreit er ins Funkgerät. »Leblose Person vor Bahnhof Niedernhausen!« Weiter, die Rücklichter vor ihm kaum noch erkennbar. Er holt auf, Kreisverkehr, Lindenau ist schon raus, sein Vorsprung wächst, er scheint ihn entdeckt zu haben, beschleunigt weiter, der Kreisel ist zu eng, Reifen kreischen, viel zu eng, er hält haarscharf die Spur, schwitzt höllisch, weiter, Ortsschild Königshofen, enge Kurven auch hier, Bahnschranken voraus, offen, leider, er will ihn stellen, unbedingt, schafft es, das Blaulicht aufs Dach zu knallen, bevor sie aus dem Ort raus sind, dann wieder Vollgas, er orientiert sich am Mittelstreifen, den unsteten Rücklichtern vor ihm, nächster Ort, Niederseelbach, scharf rechts, Kurven, die Gummi fordern, doch die Straßen sind trocken, kein Glatteis, und wieder draußen, freie Fahrt. Rechts leuchtet, weiß im Weißen, eine Kirche, von oben nähert sich ein Fahrzeug, Fahrbahnverengung voraus, Unterführung, oh mein Gott, nein! Der Knall wie Donnerschlag, das Durchbrechen der Schallmauer, ohrenbetäubend, schrill faltet sich Metall zur Ziehharmonika zusammen, stockend, doch nicht minder virtuos, irgendwoher gellt ein Echo, noch eines und noch eines, und explodiert in seinem Kopf, da bleibt nichts, da lebt niemand mehr, weiß er. Er bremst, lenkt den Wagen von der Straße und sitzt da mit offenem Mund, Rauch quillt aus dem Wrack, das wie ein surreales Kunstwerk anmutet, er kann sich partout nicht vom Fleck rühren. Der Fahrer des anderen Fahrzeugs steigt aus, nähert sich steifbeinig der Unfallstelle und schlägt die Hände vors Gesicht, während Zinkel noch immer das Lenkrad umklammert, er zittert, vor Kälte sicherlich, schließt und öffnet immer wieder die Augen, in der Hoffnung, das Bild würde verschwinden, wenn er es nur oft genug versuchte, doch es bleibt, die Unterführung, das Wrack, der schockstarre Mann, die Kirche, getaucht in gespenstisches flackerndes Blau. Das ewige Licht, denkt er, und sein Blick verschwimmt.
    ***
    Immer im Kreis herum, hoch und höher, sie tauchte durch die streichelnd milde Luft, ein Gefühl wie Fliegen, und obgleich ihr schwindelte, wollte sie mehr, sie wusste, dass sie zu alt war für dies kindliche Vergnügen, doch Aufgeben galt nicht, einmal noch, bitte, bitte, ihr Magen hüpfte in ein Loch, sie erinnerte sich, erinnerte – Plötzlich zog das Tempo an, und ihr Kopf fiel nach hinten, ein Gefühl wie freier Fall, der Sturzflug eines Vogels, die Welt raste in einem wilden Wirbel an ihr vorbei, zu schnell, viel zu schnell, mach, dass es aufhört, bitte, sie konnte nichts erkennen, niemanden, wusste, dass das unerlässlich war, wollte sie überleben, sie musste ihren Gegner ausmachen, bevor er sie entdeckte, musste weg hier, doch es gab kein Entrinnen, wie auch, die Wahl zwischen zwei Übeln, wenn überhaupt. Fliehende Kräfte drückten auf ihre Brust und raubten ihr den Atem.
    Marilene erwachte keuchend und öffnete die Augen. Es war

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