Spurlos in der Nacht
Decke zuckten zweimal, dann kamen sie zur Ruhe und ließen ihr kühles Licht durch den Raum schweifen. Eine Viertelstunde später waren alle zur Stelle, nur Preben Ulriksen nicht.
Asle Tengs, der älteste Ermittler, holte zwei Stühle und stellte sie vor den ovalen Besprechungstisch. Die Abteilungschefin Ingeborg Myklebust war informiert worden, hatte aber mitteilen lassen, dass sie erst am nächsten Morgen wieder im Haus sein werde. Cato Isaksen war das nur recht. Er und die Chefin hatten ihr gespaltenes Verhältnis wieder aufgenommen, nach einer kurzen Zeit der Besserung, als Myklebust schwer krank geworden war. Seitdem sie wieder im Dienst war, war alles wieder beim Alten.
Sie nahmen am Tisch Platz. Roger Høibakk brachte einen Computerausdruck.
«Brenda Moen hat dreißig Jahre lang in der Kantine des Krankenhauses Ullevål gearbeitet», sagte er. «Sie hat vor etwas über zehn Jahren aufgehört, damals war sie vierundsechzig. Gegen sie liegt nichts vor. Nicht einmal eine Buße wegen Falschparkens.»
«Vielleicht hatte sie keinen Führerschein», sagte Randi Johansen spöttisch.
«Stimmt», sagte Roger.
«Warum hat der Täter die Tasche nicht an sich gerissen? Das Opfer war ja wohl kaum sehr stark», murmelte der junge Kollege. Es war deutlich, dass er sich in dieser Besprechung der erfahrenen Kollegen pudelwohl fühlte. Eigentlich war er ein lernwilliger Grünschnabel. Es herrschten geteilte Meinungen darüber, ob Leute wie er, die noch kaum Erfahrungen gemacht hatten, an Mordermittlungen beteiligt werden sollten. Und es gab gute Gründe dafür und gute Gründe dagegen. Aber das System sah nun mal ihre Teilnahme vor.
«Vielleicht ging es ihm ja gar nicht um die Tasche», meinte Randi Johansen.
Roger Høibakk streckte unter dem Tisch die langen Beine aus. Auf einem Zettel, der vor ihm lag, standen Namen aus der Nachbarschaft, unter anderem der einer alten Dame, die ein Stück weiter die Straße hoch wohnte, schräg gegenüber von Nr. 51. Sie wollte die Polizei gern in ihre Wohnung bitten, hatte sie gesagt. Roger Høibakk hatte ihr auch einen Besuch für den nächsten Tag versprochen, so dass sie dann mehr erzählen könnte. Sie wollten die ganze Gegend abfragen, um festzustellen, ob irgendjemand etwas gesehen habe, was den Ermittlungen weiterhelfen könnte.
Randi Johansen spielte immer wieder mit ihrem Trauring am Finger. Sie runzelte die Stirn. «Gehen alte Damen oft abends um elf noch weg?», fragte sie.
Die anderen schüttelten den Kopf. «Der Sohn hat bestätigt, dass das sonst nicht vorgekommen ist. Sie wurde um kurz vor elf erschossen auf der Straße aufgefunden», sagte Roger Høibakk und blätterte in den Unterlagen, die vor ihm lagen. Der Zettel mit dem Namen der alten Dame aus dem Haus gegenüber fiel dabei zu Boden.
«Die Nachricht ist genau um 22.58 Uhr eingetroffen», sagte er. «Ein junges Ehepaar aus dem Nachbarhaus hatte sie nach wenigen Minuten gefunden. Sie hatten den Schuss gehört, es war wohl nur einer oder vielleicht auch zwei. Sie liefen ans Fenster. Es war dunkel, aber die Straßenlaterne zeigte den Bürgersteig vor dem Haus. Sie sahen dort nur zwei Wagen und drei Skater, die weiter hinten in der Dunkelheit verschwanden, ansonsten war alles still. Erst, als sie sahen, dass andere zum Tatort liefen, gingen sie auch nach draußen. Sie glaubten zuerst, nur ein paar Böller gehört zu haben, weil die drei Skater doch eben erst auf ihren Brettern vorbei gekommen waren.»
«Die Knaben haben wohl nichts damit zu tun», sagte Cato Isaksen. «Sie sagen, dass der Tatort schon weit hinter ihnen lag, als geschossen wurde. Und das stimmt auch mit den Beobachtungen der anderen Nachbarn überein.»
«Dann kann es doch ein Taschenräuber gewesen sein», warf der junge Polizist schüchtern ein.
Randi Johansen nickte zustimmend. «Vielleicht hat ihn etwas daran gehindert, die Tasche an sich zu reißen.»
Cato Isaksen ging die Papiere mit seinen Notizen durch und fasste das wenige zusammen, was sie inzwischen wussten.
«Das junge Ehepaar aus dem Erdgeschoss des Nachbarhauses hat die Schüsse gehört, ist aber erst eine halbe Minute später losgelaufen, als sie sahen, dass der alte Mann von gegenüber zum Tatort unterwegs war. Brenda Elise Moen hat offenbar hinter dem Zaun gelegen, so dass sie sie vom Haus aus nicht sehen konnten. Diese Beobachtungen passen zu dem, was die Skater gesagt haben», erklärte Cato Isaksen und gab seine Notizen in ein kleines Diktiergerät
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