Spurlos in der Nacht
Gesellschaft. Reckte sich müde vor seinen Beinen und rieb sich dann an seinen Waden. Aber Cato Isaksen schob ihn energisch mit dem einen Fuß beiseite. «Es ist noch nicht Morgen», murmelte er, ging in die Küche und nahm sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank. Dann ging er nach oben und deckte Vetle zu, ehe er den Pullover über den Kopf zog und im Badezimmer verschwand. Er legte sich in das leere Doppelbett und schlief drei Stunden lang tief. Dann klingelte der Wecker und er ging duschen. Auf dem Weg zur Haustür, wo er seinen Mantel anziehen wollte, begegnete ihm Bente, die vom Nachtdienst kam. Er erklärte ihr kurz, was geschehen war. «Ich war um vier wieder da», sagte er. Bente war müde und wollte wissen, ob Vetle verschlafen habe. Cato Isaksen fluchte leise. Er hatte schon wieder vergessen, den jungen zu wecken. Und das war ihm eben nicht zum ersten Mal passiert. Er lief in den ersten Stock und donnerte gegen die Tür des Jungenzimmers. «Aufstehen», rief er und ging wieder nach unten in die Küche. «Er sitzt aber auch die halbe Nacht vorm Fernseher», sagte er genervt.
Bente musterte ihn mit resigniertem Blick. «Ich begreife nicht, wieso es so schwer sein soll ihn zu wecken. So viele Pflichten hast du hier im Haus ja wirklich nicht. Aber jetzt, wo du dir über einen neuen Fall Gedanken machen kannst, können wir dich ja wohl für die nächsten Wochen vergessen», sagte sie bissig. Cato Isaksen ging und knallte energisch mit der Tür.
Als Cato Isaksen den Fahrstuhl verließ, lief ihm ein aufgeregter Roger Høibakk über den Weg.
«Brenda Elise Moens Enkelin ist vor vierzehn Tagen verschwunden», sagte er. «Die Zeitungen haben in den letzten Tagen ausgiebig über sie berichtet. Sieh mal!» Er hielt seinem Chef eine Tageszeitung hin.
Cato Isaksen nahm die Zeitung und starrte das Bild des hübschen blonden Mädchens an. NICHTS NEUES ÜBER KATHRINE, lautete die Schlagzeile.
Jetzt mischte Preben Ulriksen sich ins Gespräch. Die beiden Fahnder redeten wild durcheinander. Sie hatten die ganze Nacht gearbeitet. Cato Isaksen legte zerstreut seine Jacke ab, schlug die Zeitung auf und überflog die Artikel. «Woher wisst ihr, dass das Moens Enkelin ist?»
«Helena Bjerke hat es nicht erwähnt, als ich sie über den Mord an ihrer Mutter informiert habe», sagte Roger Høibakk. «Die Kollegen aus Folio haben sich gemeldet, als sie von dem Mord gehört haben.»
«Warum hat Alf Boris Moen nichts gesagt?»
«Das ist vielleicht kein Wunder. Sicher war es ein Schock für ihn, noch so eine Horrornachricht hören zu müssen», meinte Preben Ulriksen verständnisvoll.
Cato Isaksen ging über den Flur, erreichte sein Büro und schlug vor sich auf dem Tisch die Zeitung auf. Roger und Prebeti folgten ihm. «Die ist von gestern», sagte Roger Høibakk eifrig.
Cato Isaksen hatte das Gefühl das Mädchen auf dem Bild zu kennen. Lächelnd, hübsch, mit blauen Augen und blonden Haaren. Er hatte jeden Tag über sie gelesen. Sie war am 20. Februar aus Drøbak verschwunden. Kathrine Bjerke war erst vierzehn. Zuletzt war sie von einer Autofahrerin gesehen worden, die sie um kurz nach Mitternacht vor dem Eingang zum Oslofjordtunnel beobachtet hatte.
Neues gab es noch nicht. Die Umgebung, Wald und Fjord gleichermaßen, war nach ihr abgesucht worden. Cato Isaksen vertiefte sich in den Artikel. Eine Zeugin kam gleich nach Mitternacht an einer Bushaltestelle vorbei. Zwei Tage, nachdem die Zeitungen erstmals von Kathrine Bjerkes Verschwinden berichtet hatten, teilte sie der Polizei mit, dass sie an der Bushaltestelle kurz vor dem Oslofjordtunnel ein junges Mädchen mit Krücken gesehen habe. Die Polizei hält diese Beobachtung für zuverlässig. Die Frau beschrieb ein Mädchen, das große Ähnlichkeit mit Kathrine hatte, und das mit den Krücken war ebenfalls korrekt.
Die Zeitung brachte ein großes Bild dieser Zeugin. Auf ihrem Schoß saß ein Baby.
Cato Isaksen ließ sich im Sessel zurücksinken. Preben hatte Kaffee für ihn geholt. Er nahm die Tasse entgegen, ohne sich zu bedanken. Die Fahnder tauschten einen Blick. Sie kannten einander. Hatten schon zahllose Besprechungen dieser Art hinter sich gebracht.
Plötzlich stand die Abteilungsleiterin, Ingeborg Myklebust, in der Türöffnung. Sie trug ein rosa Twinset und einen braunen Rock. Sie schien guter Dinge zu sein. In der Hand hielt sie das Dagbladet.
«Die haben schon von Brenda Moen erfahren», sagte sie. «Aber sie haben den Mord noch nicht mit Kathrine
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