Spurlos in der Nacht
so.»
«Wie meinen Sie das?»
Alf Boris Moen schlug die Hände vors Gesicht. Seine Finger waren dick, an einem steckte ein Ring.
«So spät», sagte er. «So spät geht sie nie aus dem Haus.»
Roger Høibakk und sein junger Kollege gaben sich alle Mühe, ihn zu beruhigen. Über Situationen wie diese wurde im Dienst oft gesprochen. Über den Umgang mit Angehörigen. Wie konnten sie freundlich und verständnisvoll auftreten, wo sie in Wirklichkeit doch überarbeitet waren und Informationen brauchten, sonst nichts. Sie brauchten Informationen über die Mutter, und zwar ganz schnell. Glaubte er zum Beispiel, die Mutter habe irgendwelche Feinde gehabt? Solche Dinge. Aber das konnten sie gleich vergessen. Im Moment war es unmöglich, aus dem Mann auf der Treppe eine vernünftige Antwort herauszuholen. Schließlich war soeben dessen Leben zerbrochen.
«Vielleicht sollten wir in Ihre Wohnung gehen und uns dort weiter unterhalten.» Roger Høibakk versuchte ihm beim Aufstehen zu helfen. «Waren Sie den ganzen Abend zu Hause?»
Der Mann nickte. «Ich habe nichts gehört. Ich dachte, Mutter sei schon ins Bett gegangen. Sie geht immer gegen halb elf, elf schlafen.»
«Der Wagen draußen in der Auffahrt ...»
«Der gehört mir. Mutter hat kein Auto. Sie hat auch keinen Führerschein. Haben Sie meine Schwester Helena schon unterrichtet?», fragte er traurig und kam mühsam auf die Beine.
«Dazu sind wir noch nicht gekommen», sagte Roger Høibakk. «Wo wohnt sie?»
«In Drøbak. Bitte, rufen Sie sie an.»
«Ja, gleich», sagte Roger Høibakk und zog sein Telefon aus der Tasche. In diesem Moment kam der Arzt, ein junger Mann in Lederjacke, die Steintreppe hoch.
Der Leichnam wurde kurz nach Mitternacht weggebracht. Die beiden Polizisten von der Hundestreife suchten noch immer die Umgebung ab. Die Besatzungen der Streifenwagen erstatteten Bericht. Einer hatte die jungen Skater gefunden, das war alles. Sie wurden zur Wache gefahren und dort vernommen.
Cato Isaksen ging zu Ellen Grue hinüber. «Es ist schweinekalt», sagte er. Sie nickte kurz und widmete sich weiter der Spurensicherung. Die meisten Neugierigen waren verschwunden, einer nach dem anderen. Aber noch immer standen die Menschen an ihren Fenstern und betrachteten die Streifenwagen, die Absperrung und das kleine Zelt, das am Fundort aufgestellt worden war. Der Wind fegte kalt zwischen den Steinhäusern dahin und durch die Straße, riss in den teilweise mit Eis bedeckten kleinen Gärten an Zweigen und Büschen.
Die Polizisten sehnten sich nach der Wache, wo sie sich aufwärmen könnten. Der Tatort wurde mit einem provisorischen Zaun gesichert. Ein Wagen wurde für die Nacht dort postiert.
Cato Isaksen sprach in einem Verhörraum mit den Skatern. Das kalte Licht der Neonröhren ließ ihre Gesichter noch weißer aussehen, als sie es in Wirklichkeit schon waren. Vor den Fenstern lag die schwarze Nacht. Die Jungen mit den hängenden Hosenböden, den Anoraks und den typischen, tief ins Gesicht gezogenen Mützen, hatten den Ernst der Lage offensichtlich erkannt.
«Wir kamen von der Rampe oben am Damplass. Und dann hörten wir einen Schuss», sagte der eine. «Und dann noch einen. Ich drehte mich um und er drehte sich um, aber der da», sagte der Junge und zeigte auf einen Kumpel, «der ist nur weitergefahren, als ob nichts passiert wäre.»
«Das war doch bloß, weil ich das doch nicht wusste. Ich dachte einfach, das ist irgendein Jux.» Er zuckte kurz mit den Schultern. «Feuerwerk oder Chinaböller oder so.»
«Ich drehte mich um und sah eine alte Dame, die die Straße entlang ging, von uns weg», sagte der Erste. «Das war alles. Ich weiß nicht, ob auf diese alte Dame geschossen worden ist, ob der erste Schuss nicht getroffen hat oder ob es um eine ganz andere alte Dame ging.»
«Dass jemand auf dem Boden lag, ist euch also nicht aufgefallen?»
Die Jungen schüttelten den Kopf.
«Dann kamen ein paar Autos», sagte einer. «Zwei, vielleicht. Ein BMW, glaube ich.»
Cato Isaksen redete zwanzig Minuten mit ihnen. Die Jungs konnten nur diese Beobachtungen liefern. Sie waren zum ersten Mal in diesem Jahr mit den Skates unterwegs gewesen, erzählten sie. Der Ermittler sah einen nach dem anderen an, dankte ihnen und ließ sie mit einem Zivilwagen nach Hause bringen.
Er hatte seine festen Mitarbeiter und die einzige Mitarbeiterin im Team einberufen. Randi Johansen war schon zur Stelle. Sie schaltete in einem Verhörraum das Licht ein. Die Neonröhren unter der
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