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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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verriegelt.
    Die schmutzigen Gassen des Marktviertels waren verlassen.
    Der Wind strich pfeifend durch die Abfallhaufen, trieb Stofffetzen, Verpackungen aus Plastik und Blech, zersplittertes Holz vor sich her.

    Mitten in der Stadt aus Sand erhob sich ein Palast mit mächtigen Mauern. Wie jedes andere Haus in der Stadt war auch er aus Sand gebaut, doch er war zehnmal höher als die höchsten Gebäude. Unter dem Sand konnte man ein Gerüst aus Holzpfählen erkennen, die ihn stützten, so wie unter der dünnen Haut eines Menschen seine Wirbelsäule hervortrat. Der Palast schimmerte in einem bedrohlich wirkenden Weiß, dazwischen schmale dunkle Fenster, die wie viele kleine, von der Sonne ausgedörrte Insekten wirkten.
    Im Palast der Stadt aus Sand lebte nur ein einziger Herrscher.
    Sein Raum war mit Teppichen ausgekleidet. Sie kamen aus allen Teilen der Welt, aus Timbuktu, Jenne, Simbabwe und Samarkand, und waren Geschenke von Leuten, die nicht wussten, was sie dem Fürsten der Stadt aus Sand sonst mitbringen sollten.
    Der Fürst der Stadt aus Sand, so wollte er genannt werden. Sein eigentlicher Name war seit langer Zeit vergessen. Und die wenigen, die ihn noch nicht vergessen hatten, versuchten es zumindest, denn es hieß, es genüge schon, zu fest an den Namen zu denken oder ihn leise auszusprechen, damit der Fürst aus dem eigenen Schatten erschien, um einem die Seele zu rauben.
    Doch sein wahrer Name war Sanagò.
    Wie in jeder anderen Nacht saß Sanagò reglos und beherrscht auf seinem Thron, dessen gewölbte Rückenlehne beinahe bis zur Decke reichte, das Werk eines verrückten Künstlers, der dafür Tausende von dornenbewehrten Zweigen ineinander verflochten hatte. Das einzige Licht im Zimmer kam von drei hohen schmalen, oben spitz zulaufenden Fenstern, durch die ein wenig von dem bleichen, fernen Schein des Mondes auf den dunklen Fußboden fiel.
    Der Fürst hatte sein Gesicht in die Hände gestützt, als wäre er tief verzweifelt. Seine langen Fingernägel waren so scharf und spitz wie Messerklingen. Die schmalen Handgelenke und Arme, so dünn wie die einer Spinne, waren von einem Geflecht aus dicken Adern überzogen, die aussahen wie ein Knäuel Schlangen. Seine Haut war so hell wie Kork und genauso trocken und rissig wie von der Sonne ausgeblichenes Holz. Er hatte riesige Augen, über denen sich schon lange keine Lider mehr schlossen. Oft blieb seine linke Hand auf den verhärteten Rändern einer Narbe liegen, die seine Wange wie ein tiefer Schnitt durchzog.
    Als er Schritte auf den Fluren seines Palastes hörte, hob der Fürst das Gesicht und sah sich um.
    Drei Gestalten, die im Vergleich zu dem riesenhaften Thron aus Dornenzweigen winzig klein wirkten, standen in der Tür. Zwei von ihnen trugen die großen Strohhüte, die der Fürst seinen Wachen zu tragen vorgeschrieben hatte. Der Dritte war ein Mann, der ihn zu sprechen wünschte.
    »Bringt ihn zu mir«, sagte der Fürst heiser.
    Die beiden Wachen mit den Strohhüten stießen den Mann in ihrer Mitte vorwärts, der daraufhin stolperte und leise fluchend auf die Teppiche fiel. Unter dem unerbittlichen Blick des Fürsten der Stadt aus Sand kroch er langsam zu ihm hin.
    »Du wolltest mich sprechen?«, sagte der Fürst und ließ seine Augen auf der unbeholfenen Gestalt des zusammengekrümmten Mannes ruhen.
    Der Mann hob den Kopf, betrachtete einen Moment den Schatten mit einem Strahlenkranz aus Dornen über sich, dann zog er es vor, sich zitternd wieder zu Boden zu neigen. »O Herr, ich bin ein Targhi , nur ein einfacher Tablier , ich handele mit allem möglichen Trödel … Mein Laden hat Räder … und kommt viel herum … wo immer es geht … Und heute auf dem Markt Eurer erhabenen Stadt … da habe ich gehört … ganz zufällig … also jemand hat erzählt … ihr suchtet vielleicht … einen bestimmten Ort … einen Platz … ein gewisses Dorf …«
    Der Thron knirschte, als der Fürst das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte.
    Und der Tablier fuhr stockend fort: »Also … man erzählte sich … verzeiht meine Kühnheit … aber diese Gerüchte sagten ganz deutlich … das beschwöre ich Euch, bei allem was mir lieb und teuer ist … der große Fürst suche … aus irgendeinem Grund … vielleicht aus Neugier … vielleicht zum Vergnügen … oder nur aus Langeweile … ein ganz verstecktes namenloses Dorf … das man nur an einem erkennen kann … hat mir eine Wache des Palastes jedenfalls erzählt … und zwar an

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