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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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Fürst ließ seinen Blick kurz über die vielen Flachdächer schweifen, die zusammen wie ein Schachbrett aussahen, dann schaute er auf die riesige Wasserader der Stadt, den Fluss und die Wüste aus Sandkristallen, die sich dahinter erstreckte. Schließlich raffte er sich auf und sagte: »Ja … die Belohnung …«
    Er erhob zwei Finger seiner linken Hand. Jeder Fingernagel war mit einer anderen Tätowierung versehen.
    Dann sagte Sanagò etwas, und der Tablier meinte zu sehen, wie die Finger des Fürsten immer länger wurden, bis sie zu schwarzen Tentakeln geworden waren. Er hatte den Eindruck, sie bewegten sich in der Dunkelheit des Raumes in seine Richtung, da umschlangen sie schon kalt und glitschig seinen Hals. Und als er merkte, dass alles nicht nur eine Sinnestäuschung war, sondern wirklich geschah, öffnete er seinen Mund, um zu schreien, doch es kam kein Laut heraus. Während die Tentakel in seinen Hals und die Nase krochen, verdrehte der Mann die Augen und versuchte, sich dagegen zu wehren, bis etwas in ihm sich ablöste.
    Daraufhin zogen sich die Tentakel aus seinem leeren Körper zurück und sammelten sich in einem Glasfläschchen, das am Gürtel des Fürsten hing. Erst dann ließ der Fürst die magische Beschwörungsformel verstummen, die den Zauber hervorgerufen hatte, verschloss das Fläschchen mit einer mittlerweile vertrauten Geste und warf es auf die Teppiche.
    »Bringt ihn weg!«, befahl er seinen Wachen. »Und übergebt das Fläschchen dem Trödler.«
    Die beiden Diener schleiften den leblosen Körper des Tablier hinaus und nahmen auch die kleine Ampulle mit. Der Fürst der Stadt aus Sand lächelte ein wenig und entblößte dabei unter seinen schmalen Lippen die tabakbraunen Zähne, die einst so hell wie Elfenbein gewesen waren.
    »Endlich eine Spur … nach so langer Zeit«, flüsterte er heiser. »Um zu Ende zu bringen, was schon längst hätte beendet sein sollen.«
    Dann hob er die Hände, als wollte er den bleichen Lichthof des Mondes umarmen, atmete tief durch, um in die geheimsten, dunkelsten Winkel seines Verstandes vorzudringen, und stimmte eine Litanei von verbotenen Worten an.
    Daraufhin erhoben sich nach und nach Schwärme schwarzer Geier vor den Fenstern des Sandpalastes in die Luft und verdunkelten den Himmel mit ihren flatternden Flügeln.

    Auf der anderen Seite der Wüste, im Schutz der Zweige des Baobabs, betrachteten zwei andere Augenpaare besorgt den gleichen Mond.
    Der Priester Setuké stand barfuß neben seinem Bruder und ließ ein Rombo durch die Luft kreisen, ein quadratisches Instrument, das nur nachts und nur von Männern gespielt werden durfte und das ein seltsames Surren hervorbrachte, ungefähr wie ein Schwarm schillernder Fliegen. Der Klang breitete sich über das ganze Dorf aus bis zu den silberschwarzen Felsen der Falaise . Setuké spielte lange, dann setzte er sich erschöpft neben Matuké, der sich über ihn beugte und ihm die Sandalen anzog.
    »Ich bin sehr müde«, gab der Priester zu und schloss die Augen.
    Matuké saß so dicht neben ihm, dass ihre Schultern einander berührten, und bewunderte den Mond, der durch das Geflecht der Zweige schien.
    »Das tut mir leid«, sagte er.
    Der Priester folgte seinem Blick.
    »Der weiße Hof um den Mond bedeutet, dass jemand plötzlich sterben wird«, erklärte er.
    »Manchmal deutet man die Hinweise falsch, wenn auch im guten Glauben«, antwortete Matuké nach einer langen Pause.
    Doch Setuké war bereits eingeschlafen. Der Geschichtensänger wartete geduldig, bis er ihn wecken durfte. Über ihnen bewegte der Nachtwind die Zweige des Baobabs ein wenig hin und her. Die felsige Falaise , in deren Schutz sich das Dorf verbarg, wirkte wie das Fell eines riesigen Tieres, das sich dort zum Schlafen niedergelegt hatte.
    Matuké sah, wie sich schwarze Schatten von Geiern vor der weißen Scheibe des Mondes abhoben. Er streckte eine Hand aus und rüttelte seinen Bruder wach, um ihm dies zu zeigen. Gleichzeitig begannen die Hunde im Dorf zu heulen, als hätten sie eine böse Vorahnung.
    »Beruhige sie«, sagte der Priester. Und Matuké stieß einen langen Pfiff aus, der so hoch war, dass man ihn kaum hören konnte. Daraufhin verstummten alle Hunde.
    Die Geier flogen über sie hinweg und verschwanden in der Ebene.
    »Einen Moment lang habe ich geglaubt, er hätte uns gefunden«, sagte Matuké und schnalzte mit den Lippen.
    »Es wird nicht mehr lange dauern, bis er uns wirklich findet«, erwiderte der Priester und zog seine Knie an

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