Stadt der blauen Paläste
die Unterschiede zwischen dem minderwertigen Kölner Harnisch und dem hervorragenden Nürnberger Harnisch und dass der herkömmliche Fußknechtsharnisch jetzt endlich von einem tausendmal besseren überholt worden sei.«
»Nicht mehr über Zima des Taquila, Zima Duschkani, Zima des Bullia«, zählte Crestina lachend auf und fuhr dann stockend fort, »Terra dorta, Catalon, Mettel, Morokin, Mendis, Proventisch?«
»Nein, nicht mehr über Zima Duschkani und Terra dorta und Morokin«, seufzte Margarete, »und viel behalten hast du ganz offensichtlich von diesen Safransorten nicht – du wirfst sie alle durcheinander, die französischen, die italienischen und die spanischen.«
»Und wer kümmert sich dann um den Duschkani und den Morokin und all diejenigen, die ich über einen Haufen werfe?«, wollte Crestina wissen.
Margarete wog den Becher in ihrer Hand.
»Ich«, sagte sie dann lächelnd. »Zumindest für den Augenblick. Aber natürlich gibt es auch noch einen Faktor, mit dem ich mich gut stellen muss.«
»Du gehst in den Spuren eines Safranhändlers?« Crestina fragte zweimal, weil es ihr kaum glaubhaft erschien.
Margarete lachte.
»Zumindest mal auf Probe. Wenn du zufällig am fondaco tedesco vorbeikommst, kannst du mich ganz gewiss im Innenhof sehen, wie ich irgendwelche störrischen Maulesel anbrülle oder saftige Flüche auf die Ballenbinder hinunterlasse, weil etwas nicht so geht, wie ich es will. Fluchen kann ich nämlich inzwischen so gut wie meine Mutter. Oder mein Onkel Schreck. Sogar auf Italienisch.«
»Das kann nicht stimmen«, sagte Crestina ungläubig.
»Weshalb nicht? Eine Frau, die in unserem Gewerbe nicht flucht, kommt nicht weit. Und mein Vater ist bereits drei Jahre tot, ich werde in seine Stelle ganz langsam hineinwachsen. Hoffe ich zumindest, wenn mir nicht noch etwas anderes einfällt. Zum Beispiel etwas, was nur mir gehört, etwas, was ich mir selber ausgedacht habe.«
»Aber du warst doch immer diejenige, die aus allem herauswollte, du warst diejenige, die sich wehrte, die eine eigene Welt aufbauen wollte, nicht in das große Geld einsteigen wollte. Du wolltest selbstständig sein«, sagte Crestina irritiert, »hast du alle deine Träume aufgegeben?«
Margarete zuckte mit den Schultern.
»Ich bin selbstständig, und ich mag Geld, ich habe nichts dagegen. Wenn ich Ovid übersetze, kann ich nicht davon herunterbeißen. Meine Träume muss ich deswegen noch lange nicht aufgeben.«
Crestina verkniff es sich zu sagen, dass sie dies mit ihren Übersetzungen sehr wohl könne. Auch wenn die Happen kleiner waren als mit dem Verkauf von Armbrüsten und Hellebarden.
»Und Agnes, was ist mit ihr?«
»Sie versorgt den Haushalt. Und betreut die Zwillinge.«
»Welche Zwillinge?«
»Lucas hat geheiratet, auch eine Geschäftemacherin, er hat zwei Kinder, seine Frau ist im Kindbett gestorben. Und im Übrigen redet er noch immer von dir. Er hat ganz fest vor, bald einmal zu kommen.« Sie lachte auf. »Meine Mutter übrigens auch. Sie hatte außerdem die verwegene Idee, einen Palazzo zu kaufen und dort ein Geschäft aufzuziehen, so wie es dein Vater einst hatte. Sie liebäugelt sogar mit der Idee, das Geschäft zu vergrößern. Sie wäre außerdem bereit, in das Reliquiengeschäft einzusteigen und im Mezzanin Mumien zu stapeln, so wie dein Vater in jener Zeit. Und in ihren völlig abgehobenen Wünschen sieht sie Lukas bereits dort einziehen, da sie der Meinung ist, dass die Zwillinge in der sala endlich einmal den rechten Auslauf zum Toben hätten und damit endlich zu kräftigen Kindern heranwachsen würden.«
Crestina zuckte zusammen, als habe ihr jemand mit einer Keule über den Kopf geschlagen, auch wenn keinesfalls ihr Palazzo gemeint war.
»Ich denke, jetzt brauchst du einen zweiten Grappa«, sagte Margarete, als sie sah, wie Crestinas Gesicht sich langsam verfärbte und einen gräulich blassen Ton annahm.
»Keine Angst, sie kommen gewiss nicht so bald«, sagte sie dann und goss Crestina ein. »Und im Übrigen habe ich jetzt genug von mir erzählt. Was machst du? Wie lebst du? Arbeitest du etwas, hast du viele Freunde?«
»Freunde? Du meinst männliche Freunde?«
Margarete lachte.
»Natürlich meine ich männliche Freunde. Es gibt wunderschöne Männer hier in der Stadt, jeden Tag kommen welche in den fondaco zu mir und wollen mit mir Geschäfte machen.«
Crestina hatte das dringende Gefühl, den Raum verlassen zu müssen. Sie stand auf, öffnete das Fenster, atmete mit tiefen
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