Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
Vom Netzwerk:
Bücher auf dem Index gehören zu den okkulten Büchern.«
    »Eben. Deswegen frage ich mich ja, ob ihnen das gefällt, wenn sie mich damit bei Nacht auf der Lagune antreffen.«
    »Was willst du auf der Lagune, wenn du nach Padua reitest?«, fragte Marcello irritiert. »Und weshalb bei Nacht?«
    »Ich habe immer einen Bogen gemacht, wenn ich nach Padua ging. Besonders, wenn ich allein war. Und ich denke doch, ich bin allein – oder gebt ihr mir wieder einen Aufpasser mit, damit ich auch gut behütet bin?«
    Eine Weile war Stille.
    »Du reitest allein«, sagte Leonardo dann hart. »Du bist seine Schwester. Du weißt genau, dass es für ihn jedes Mal ein Risiko war. Deine Gedanken haben ihn begleitet, wo immer er hinritt.«
    »Die euren werden mich ja ganz gewiss auch begleiten«, spottete sie, »oder etwa nicht?«
    »Du kannst natürlich ablehnen«, sagte Leonardo und blickte dem Flug einer Möwe nach, die laut kreischend über ihre Köpfe hinwegflog. »Niemand zwingt dich. Aber ich bin sicher, dass es gut für dich wäre.«
    »Ach so«, sagte sie, stand auf, schob das Manuskript in seinem Sack in ihren Korb. »Du meinst, es wäre an der Zeit, dass ich wieder in das normale Leben einsteige«, sagte sie dann und runzelte die Stirn. »Oder in das, was man als dieses normale Leben bezeichnet. Ist das so?«
    »Nein, nein, das meinen wir nicht«, sagten Alvise und Marcello hastig.
    »Aber ich meine es«, sagte Leonardo mit Nachdruck, »ich meine genau das. Und jetzt möchte ich mit dir allein reden.«
    »Über dieselbe Sache?«, wollte sie wissen und blickte ihn störrisch an.
    »Nein, nicht über dieselbe Sache.«
    »Falls ihr euch jetzt prügeln wollt, wie in euren Kinderjahren, gehen wir besser«, sagte Alvise rasch und deutete zu seinem Boot. »Wer mitfahren will, den nehme ich mit.«
    »Wir prügeln uns schon lange nicht mehr wie in alten Zeiten«, erklärte Crestina freundlich, »und zuletzt haben wir uns sicher fünf Monate nicht mehr gesehen. Unsere Rauflust gehört im Übrigen schon längst der Vergangenheit an.«
    »Seit sechs Monaten«, korrigierte Leonardo. »Genau seit sechs Monaten, drei Tagen und …«, er sah zur Sonne hinauf, »ungefähr zwölf Stunden.«
    »Führst du etwa Buch darüber?«, fragte Crestina verblüfft.
    »Wir sehen uns dann bei meiner Aufführung in Florenz«, sagte Alvise hastig und ging zum Ufer. »Wenn ihr Hilfe braucht, könnt ihr uns rufen. Für eine Weile sind wir ja noch in eurer Nähe, falls ihr euch nicht wie zivilisierte Menschen betragen könnt.«
    Crestina ließ sich mit dem Rücken an der Mauer des Klosters niederrutschen und nahm ein Stück des gerissenen Fischernetzes in die Hand. Sie zog ihr Messer aus dem Korb, schnitt ein Stück des Schnurballens ab, der neben dem Netz lag, und nahm die Aale in die Hand.
    Leonardo starrte sie an.
    »Was um alles in der Welt machst du da? Und wozu brauchst du ein Messer in deinem Korb?«
    »Ich flicke ein Netz«, sagte Crestina ruhig und knüpfte den Faden mit den anderen zusammen. »Und das Messer wirst du mir doch gewiss erlauben, wenn ich unterwegs bin? Ich versichere, dass es kein Küchenmesser ist, mit dem ich normalerweise Gemüse schneide.«
    »Bist du ganz sicher, dass sich die Leute, denen dieses Netz gehört, darüber freuen, wenn du an ihm herumschnippelst?«, fragte Leonardo erbost.
    »Ja, das bin ich«, erwiderte Crestina. »Ich kenne den Fischer. Und du weißt, dass ich Netze flicken kann.«
    »Ja, ja, ich weiß, dass du eine geübte Netzflickerin bist«, spottete Leonardo. »Nimmst du auch fremde Aufträge an? Damals in deiner ganz und gar verqueren Zeit habe ich es ja verstanden, aber ich dachte, das sei endlich vorbei.«
    »Du meinst, dass ich genug um Riccardo getrauert habe«, sagte sie und kniff die Augen zusammen, um die ausgebesserte Stelle des Netzes zu überprüfen.
    Leonardo schüttelte betroffen den Kopf. »So war das nicht gemeint.«
    »Bevor du noch mehr sagst, was du nicht so meinst, könntest du ebenso gut auch jetzt schon sagen, weshalb ich noch hier bleiben muss.«
    Leonardo seufzte, trat mit dem Fuß auf und warf schließlich einen Kiesel mit flachem Schwung übers Wasser.
    »Sag's«, forderte Crestina, »frag doch einfach, ob ich noch immer nicht dort gewesen bin, dann hast du es hinter dir.«
    Leonardo starrte sie an.
    »Und bist du?«, fragte er dann heftig.
    »Nein, bin ich nicht«, sagte Crestina ruhig.
    »Und du weißt noch immer nicht, wann du endlich hingehen wirst?«
    »Nein, ich weiß es

Weitere Kostenlose Bücher