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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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erstarrt.«
    »Und? Hat er dich gesehen?«
    Crestina zuckte mit den Schultern und verschluckte sich dabei an ihrem Tee.
    »Ich glaube nicht.«
    »Weshalb regst du dich dann so auf? Und wovor fürchtest du dich so sehr, dass du immer noch zitterst, wenn nur sein Name fällt? Der Palazzo gehört inzwischen dir. Niemand kann ihn dir mehr streitig machen, die Zeit ist vorüber. Und dieser Betrüger von avvocato ist durch einen anderen ersetzt worden, einen vertrauenswürdigen, den Leonardo ausgesucht hat.«
    Lea hob ein Stück Gebäck an den Mund, legte es aber dann verlegen wieder zurück.
    »Ich habe schon wieder zugenommen«, sagte sie. Dann sah sie Crestina eindringlich an. »Er gehört dir, dieser Palazzo. Bringst du das immer noch nicht in deinen Kopf hinein?«
    Sie schob die Kichlech auf dem Teller näher zu Crestina.
    »Außerdem willst du ihn gar nicht«, sagte sie dann vorwurfsvoll. »Du lässt das arme Haus weiterhin verrotten, als hätte es nicht genug gelitten die ganze Zeit über. Bis jetzt wohnen nur die Tauben dort, und die in Scharen.«
    »Ich möchte keine falsche Entscheidung treffen«, erklärte Crestina vage. »Was soll eine allein stehende Frau mit einem leeren Palazzo? Soll ich etwa in zehn oder mehr Zimmern wohnen? Allein?«
    »Dann hättest du ja gleich gar nicht um ihn kämpfen müssen wie eine Löwin. Irgendwann wirst du nicht mehr allein sein. Und überhaupt, auf was wartest du eigentlich? Auf die Wiedergeburt Riccardos?«
    Crestina zuckte zusammen und sah Lea zornig an.
    »Entschuldige«, wehrte die Freundin ab, »du weißt, wie ich es meine.«
    Eine Weile tranken sie schweigend ihren Tee. Crestina knabberte lustlos an ihrem Kichlech.
    »Schmecken sie dir nicht?«, fragte Lea besorgt, »ich habe diesmal nicht so viel Rahm hineingetan, du weißt schon, wegen mir. Sie verspotten mich bereits in der Straße. Selbst das Kind ist der Meinung, dass ich kaum mehr mit ihm über das ghetto nuovo rennen kann, wenn ich so weitermache.«
    Crestina lächelte. Wenn Lea von dem ›Kind‹ sprach, wurde sie fast wieder jung. So jung, als hätte sie diesen Jungen, den ihre Tochter in den Pestzeiten einst aus einem verlassenen Haus in Spalato gerettet hatte, selbst vor ein paar Jahren geboren.
    »Ich habe Moise neulich in der Stadt getroffen«, sagte Crestina, »er kam auf mich zu und begrüßte mich höflich.«
    »In der Stadt?«, fragte Lea besorgt, »doch nicht etwa allein?«
    »Nein, nein, an der Hand seines Lehrers«, beschwichtigte Crestina.
    »Er macht mir große Freude«, sagte Lea glücklich, und Crestina wusste, dass das Gespräch zu Ende war, wie immer, wenn Lea auf diesen Jungen zu sprechen kam, den Gott ihr geschenkt hatte. »Ohne Müh und Qual«, wie sie immer sagte. Er war einfach da. Ein dritter ›Sohn‹, wenn auch kein richtiger.
    Crestina stand auf und nahm ihren Korb, Lea wuchtete sich aus ihrem Sessel und warf einen verabschiedenden Blick auf ihre Kekse.
    »Wartest du nicht auch auf eine Wiedergeburt, auf die Abrams?«, fragte Crestina mit einer Spur von Trotz in der Stimme. Sie war schon an der Tür.
    Leas Gesicht verschloss sich.
    »Es gehört zu unserer Religion, dass wir warten«, sagte sie dann.
    Crestina deutete auf Abrams hohen Lehnstuhl in dem engen Hinterstübchen, bei dem Lea nicht einmal gestattet hatte, auch nur die Sitzdellen aus seinem Kissen herauszudrücken, die noch genauso waren, wie Abram sie in den Jahren der Pest zurückgelassen hatte.
    »Nicht einmal das Kind darf an diesen Stuhl«, sagte Crestina vorwurfsvoll. »Sag bloß, du wartest nicht auf ihn.«
    Lea legte Crestina den Rest der Kichlech in ihren Korb.
    »Du musst deine Angst besiegen«, sagte sie dann, als sie beide zur Ladentür gingen, »er kann dir nichts mehr tun. Er hat den Palazzo doch nicht mehr betreten, seit er wieder dir gehört?«
    »Das Schloss war beschädigt«, sagte Crestina leise.
    »Das kann jemand anders gewesen sein. Das können –«
    Bevor sie ihren Satz zu Ende bringen konnte, rannte Moise aus einer der Seitengassen heraus, warf dabei fast einen Mann mit einem Brotkorb über den Haufen und stürzte sich auf Lea, ohne von Crestina Notiz zu nehmen.
    »Sie sind ausgeflogen, alle drei!«, sagte er dann in höchster Erregung. »Man hört sie überall piepsen! Und es wird doch bald dunkel!«
    Lea versuchte, Moise in den Arm zu nehmen und zu trösten.
    »Ich habe dir gesagt, dass es bald so weit sein wird. Wir hatten ein Vogelnest über uns an einem Balken«, erklärte sie Crestina, »wir haben

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