Das Geheimnis des Templers - Episode III: Die Templer (German Edition)
Kapitel I
1301 Franzien/Königreich Zypern
V ollkommen erstarrt stand Gero von Breydenbach in der Burgkapelle von Waldenstein, die Hände zum Gebet gekreuzt, den Blick stumm auf das wächserne Antlitz der Toten gerichtet. Die Mägde hatten Elisabeths Leichnam in aller Eile gewaschen und mit dem roséfarbenen Unterkleid und dem scharlachroten, perlenbestickten Surkot bekleidet, den sie zur Hochzeit getragen hatte.
Danach hatte man sie in einem offenen Eichenholzsarg aufgebahrt. Die langen dunklen Locken waren sorgfältig um das puppenhafte Gesicht, entlang ihrer mageren Gestalt bis hin zu den Hüften drapiert. Es sah aus, als würde sie schlafen und nicht kalt und tot in einem Sarg liegen. In ihren Armen lag das Kind, fest gewickelt in cremefarbene Seide wie ein lebendiger Säugling. Die Lider des kleinen Mädchens waren geschlossen, die Gesichtszüge genauso friedlich entspannt wie die seiner Mutter.
Obwohl gewiss war, dass Lissy ihre schönen braunen Augen nie wieder öffnen würde, sah Gero im Geiste, wie sie ihm zuzwinkerte und sogar lächelte. Gebannt schaute er auf ihren üppigen Mund, in der irrigen Hoffnung, dass sie unerwartet zu sprechen beginnen würde. Dabei widerstand er der Versuchung, sein schönes Weib noch ein allerletztes Mal zu küssen.
„Vergib mir“, flüsterte er stattdessen, in dem festen Glauben, dass sie ihn hören konnte. „Und wenn du es nicht tust, kann ich es gut verstehen. Aber sei gewiss, Gott der Herr wird mich für mein Verschulden zur Rechenschaft ziehen, und wenn er es nicht tut, werde ich selbst dafür sorgen, dass dein Blut mit dem meinen vergolten wird.“ Gero unterdrückte die Tränen und konnte doch nicht verhindern, dass sich einige wenige aus seinen Augenwinkeln stahlen. „Ich schwöre, Lissy, bei all meiner Liebe, die ich tief in meinem Herzen für dich und das Kind empfinde, ich werde für meine Sünden bezahlen, damit wir eines Tages im Paradies vereint sein können.“ Er schluckte und hob den Kopf, dabei schaute er ihr fest ins Gesicht, um ihr zu beweisen, wie ernst es ihm war. „Wenn du mich dann noch willst“, schob er heiser hinterher.
Er war so vertieft in sein Leid, dass er die Schritte hinter sich nicht hatte kommen hören, und auch als jemand eine Hand auf seine Schulter legte, sachte und zart, reagierte er nicht. Erst die bekannte, weibliche Stimme seiner Tante holte ihn aus seiner Erstarrung.
„Es ist nicht deine Schuld“, sagte Margaretha leise. „Es war Gottes Wille. Er wollte die beiden bei sich haben. Du darfst sie nicht festhalten, du musst sie zu ihm gehen lassen.“
„Es war nicht Gottes Wille“, flüsterte Gero erstickt und sah der Gräfin fest in die blauen Augen. „Es war der Wille des Teufels, der mich dazu verführt hat, sie zu schwängern. Er hat mir ins Ohr geflüstert, dass ich sie zur Frau nehmen und mich damit gegen den Willen meines Vaters stellen soll, und ich bin ihm wie ein Opferlamm zur Schlachtbank gefolgt. Mit meinem Eigensinn habe ich unsägliches Leid über uns alle gebracht, und nicht nur ich werde bis an mein Lebensende dafür büßen müssen.“
„Lissy hätte nicht gewollt, dass du es so siehst“, sagte plötzlich eine andere sanfte Stimme aus dem Hintergrund.
Überrascht wandte Gero sich um. „Mutter?“ Beim Anblick von Jutta von Breydenbach spürte er, wie seine Knie nachgaben. Gramgebeugt hatte sie sich in einer Bank hinter ihm niedergelassen, und es bestand kein Zweifel, wie sehr sie die Trauer erschöpfte. Sie trug einen dunklen Surkot und ein ebenso düsteres Unterkleid, dazu ein graues Gebende, das die dunkelblonden Haare vollkommen bedeckte und ihr blasses Gesicht noch bleicher erscheinen ließ. Ihre Augen waren rot geweint, und Gero war sich mit einem Schlag darüber klar, dass nicht nur sein Eheweib von ihm gegangen war. Seine Mutter hatte zugleich die heißgeliebte Tochter verloren. Ein unersetzbarer Verlust, auch wenn Elisabeth nicht ihr leibliches Kind gewesen war. Immerhin war Lissy von ihrem achten bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr in der Obhut seiner Mutter herangewachsen. Und auch wenn sie wie sein Vater gegen ihre Ehe gewesen war, so bedeutete das nicht, dass sie Elisabeth nicht weiterhin innig geliebt hatte. Erst jetzt wurde Gero klar, dass seine Mutter Lissy mit einer Entsendung ins Kloster nur vor dem beschützen wollte, was ihr nun widerfahren war.
Schon allein deshalb hätte er eher mit dem Zorn seiner Mutter gerechnet und nicht mit deren Verständnis. Ihr Mitgefühl traf ihn tief
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