Stadt der blauen Paläste
»aber ein wenig schon. Und schließlich habe ich Euch nicht bei allem an der Nase herumgeführt. Ich komme wirklich aus einer Familie von Salzsiedern.«
»Zu der Zeit, als Attila durch die Lande zog«, sagte sie bissig, »und vermutlich habt Ihr auch höchstpersönlich noch die Pfähle für die Paläste in den Schlick getrieben.«
Er lachte.
»So weit bin ich mit meiner Familienforschung noch nicht gediehen, und ob Attila in meiner Geschichte vorkommt, weiß ich auch nicht. Bei den Pfählen bin ich mir allerdings ziemlich sicher, dass wir nichts damit zu tun hatten. Wir interessierten uns immer nur für das ›Weiße Gold‹, wie das damals schon hieß. Das, was ich heute bisweilen tue, hat allerdings mit Pfählen zu tun.«
Sie verbarg ihr Gesicht hinter ihren Händen. »Ein Salzsieder! Nein, ich glaube es noch immer nicht«, flüsterte sie dann.
»Was um alles in der Welt stört Euch daran so? Ich denke, es wird Euch besser gehen, wenn Ihr endlich Abschied nehmt von der Vorstellung, dass ich ein Maurer oder ein Dachdecker sei und ständig mit gipsverschmierten Kleidern und Händen durch die Gegend laufe. Meine Fingernägel, die Ihr damals bei unserem ersten Kennenlernen so intensiv studiert habt, sind übrigens nachgewachsen«, fügte er hinzu und streckte ihr dann lächelnd die Hände entgegen. »Im Übrigen war ich ein halbes Jahr länger auf dieser Universität in Padua als Euer Bruder Riccardo. Er war ein Freund«, fuhr er dann leise fort, »und als ich von seinem Tod erfuhr, war mir, als hätte ich etwas verloren, was nie wieder ersetzt werden kann.«
Eine Weile saßen sie nebeneinander, ohne zu reden.
»Es muss Euch wirklich unbändigen Spaß gemacht haben, mir dies alles vorzuenthalten«, wiederholte sie dann kopfschüttelnd.
»Ich versichere Euch nochmals, es machte keinen unbändigen Spaß, nur ein wenig. Ihr wart so offensichtlich von der Idee besessen, dass ich ein armer Mann sei, der es nötig hatte, sich selbst noch die Meeräschen für sein Mittagessen zu stehlen, um nicht verhungern zu müssen, sodass ich Euch diese Idee nicht nehmen wollte. Im Übrigen gehörte der Teich mit den Meeräschen schon zu meines Vaters Zeiten zu uns. Der Pachtvertrag wurde von meiner Familie vor ziemlich langer Zeit geändert.« Er machte eine Pause und sah sie aufmerksam an.
»Aber all das hat Euch ja nie interessiert. Diese ganzen banalen Dinge des Lebens hattet Ihr ja anderen Leuten überlassen, wenn ich recht informiert bin.«
»Von dem verlotterten Palazzo, der Eurer geschickten Hände bedürfte, wisst Ihr natürlich auch schon längst?«, sagte sie voller Spott.
»Ihr solltet mit dem Dach beginnen«, erwiderte er sachlich, »falls Ihr überhaupt in Erwägung zieht, ihn zu renovieren. Aber immerhin ist dieses arme Haus ja nun nicht mehr völlig ohne Aufsicht – die Kamine rauchen wenigstens. Und bis jetzt wisst Ihr ja nicht, ob ich überhaupt geschickte Hände besitze. Ich würde sie Euch im Übrigen gerne vorführen. In den nächsten Tagen. Oder genauer gesagt in den nächsten drei Nächten.«
Sie sprang auf und starrte ihn an.
»Ihr müsst komplett verrückt sein!«, stieß sie hervor, nahm ihren Korb und steuerte dann wahllos auf das Geschäft eines Hutmachers zu, da sich inzwischen bereits Leute neugierig nach ihnen umwandten.
»Nein, nein, wartet!«, sagte er und versuchte, sie am Arm festzuhalten. »Ich meine damit etwas völlig anderes, als Ihr vermutet.«
»Und was, bitte, meintet Ihr?«, fragte sie mühsam.
»Als Ihr vor einigen Tagen die Sache mit dem reichen Salzhändler erfuhrt –«
»Ich hätte es mir ja denken können«, murmelte sie, »Margarete.«
»– hatte ich zuvor auch mitbekommen, dass Ihr ganz offensichtlich heute nichts mehr von carnevale haltet, genauso wie ich auch. Aber ich würde Euch ein Fest zeigen, das so völlig anders ist als jenes, das Ihr bisher kennen gelernt habt. Ein Fest, das Ihr nie mehr vergessen würdet. Und Ihr würdet begreifen, dass Ihr es nicht nötig habt, irgendwelchen falschen Gesandten und Botschaftern unkeusche Dinge zu versprechen, die Eurer nicht würdig sind. Und die Ihr zudem ja auch gar nie vorhattet einzulösen, damals.«
Diesmal schluckte sie zweimal und schüttelte müde den Kopf.
»Ich habe also auch mit Euch getanzt. Damals, vor fünf Jahren«, flüsterte sie dann fassungslos. »Und Ihr habt es nicht vergessen.«
»Wie konnte ich das«, sagte er leise, mit einem Male ernst. »Der Tanz war das Einzige, was wir als Studenten damals
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