Stadt der blauen Paläste
die Öllampen und Kerzen für den nächsten Sabbat würde Lea vermutlich am Mittwoch vorbereiten, um nicht in Zeitnot zu geraten, was ihr jedoch selten gelang.
»War er schon hier?«, fragte sie atemlos und riss dabei das Tuch so heftig von ihrem Kopf, dass ein Teil ihrer Haarnadeln auf den Boden fiel.
Crestina schüttelte lächelnd den Kopf. Sie hatten sich Jahre nicht gesehen, und dieser Satz schien ihr nicht unbedingt ein Begrüßungssatz zu sein.
»Ich weiß zwar nicht, wen du meinst, aber eigentlich kann es sich ja nur um Moise handeln.«
Lea atmete tief durch, ging dann auf Crestina zu und umarmte sie.
»Entschuldige. Wegen dieses Kindes vergesse ich noch immer alles, was sich gehört.«
Crestina lachte laut. »Kind! Wie alt ist er denn inzwischen, dreißig oder mehr?«
»So ungefähr«, erwiderte Lea verlegen. »So ganz genau wissen wir das ja nicht. Und es geht ja eigentlich nicht nur um Moise, sondern auch um Ruth, wie du weißt.«
Crestina wusste es zwar nicht, aber da in den nächsten Minuten der Name Ruth ständig wiederholt wurde, konnte es sich nur um irgendeine Verwandte oder Freundin handeln. Als Margarete nur kurze Zeit später eintraf, waren sie bereits mitten im Gespräch über den Serraglio in Rom und wie man dort überhaupt leben könne, das Ghetto von Venedig sei dagegen ein Ort der Erholung, was es jedoch ganz gewiss nicht war.
Margarete stieg in das Gespräch ein, von Lea ebenso wenig begrüßt wie Crestina, aber immerhin hatte sie all die Jahre mit Lea zusammen hier im Palazzo gelebt und wusste um ihre Bedenken wegen der möglichen Schwiegertochter Ruth, die in Rom im Ghetto lebte.
»Was hast du eigentlich gegen diese Frau?«, fragte Crestina irgendwann, als eine Gesprächslücke entstand und Lea bereits aufstehen wollte.
Die Freundin plusterte die Backen auf.
»Sie kann nicht kochen. Sie spricht unsere Sprache nicht gut, weil sie irgendwo aus einem Dorf in Russland stammt, und ich weiß nicht einmal, ob sie überhaupt schreiben kann.«
»Hebräisch schreiben, meinst du doch, oder?«, hakte Crestina nach.
»Ja, natürlich Hebräisch«, antwortete Lea verblüfft, so, als sei es ungehörig zu fragen, was Crestina mit ihrer Frage meinte.
»Aber es gibt sie doch dutzendweise, diese Leute, die mit dieser Sprache ihre Schwierigkeiten haben, sie immer noch nicht können, selbst wenn sie unzählige Male angefangen haben und dann wieder aufgeben. Auch kluge Leute«, wagte Margarete einzuwenden.
»Moise kann jede Frau haben, die er haben will, jede«, empörte sich Lea. »Schönheit allein genügt nicht.«
»Aha, sie ist also schön«, stellte Crestina fest. »Das wusste ich nicht.«
»Woher auch, du warst ja jahrelang weg«, sagte Lea vorwurfsvoll und jetzt müsse sie so rasch wie möglich nach Hause.
Als auch Margarete aufstand, um zu gehen, waren unten Stimmen zu hören, und kurz darauf kam Jacopo mit einem riesigen Ballen mit Kissen, Decken und Polstern die Treppe heraufgekeucht.
»Was ist denn das?« fragte Crestina verblüfft.
»Es soll zu dem jungen Herrn, zu Ludovico«, schnaufte Jacopo unter seiner Last und ging auf die Treppe zu, die in das Obergeschoss führte.
»Wozu braucht er denn so was, dein Sohn?«, fragte Lea verblüfft und befühlte rasch einen der kostbaren Stoffe, die sich Jacopo um den Hals geschlungen hatte, damit sie den Boden nicht berührten.
Crestina seufzte.
»Das weiß ich nicht. Vielleicht hängt das mit seiner seltsamen Vorstellung von seinem zukünftigen Beruf zusammen.«
»Was will er denn werden?«, wollte Margarete wissen.
»Das weiß er eben noch nicht«, erwiderte Crestina ratlos. »Heute will er Kapitän werden und möglichst gleich jetzt in fremde Länder reisen, morgen will er mit Stoffen handeln und übermorgen nach Padua zum Studium und sich …«, Crestina stockte, »… sich dort umsehen. Was immer er auch darunter versteht.«
Die Freundinnen lachten.
»Geduld, Geduld, Geduld«, sagte Lea dann und war ganz offensichtlich froh, dass auch andere Mütter ihre Plage mit ihren Söhnen hatten.
Als Crestina am Abend in Ludovicos Zimmer zum Gutenachtsagen kam, blieb sie verblüfft an der Tür stehen.
»Um Himmels willen, was ist denn hier passiert?«
Der gesamte Raum war ausgeräumt, weder Tische noch Stühle, noch Schränke waren vorhanden, stattdessen bestand das Zimmer nunmehr aus Kissenbergen, die auf Polster geschichtet waren. Dazwischen saß ihr Sohn, gekleidet in muslimischer Tracht.
Ludovico lachte seine Mutter an.
»Nun,
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