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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Lieblingsgeschichte. Lässt jeden außen vor.«
    Er brachte mich zum Lachen mit seiner Vermutung. Trotzdem, entgegnete ich ihm, trotzdem: Das Immer war nicht zu beschreiben.
    Doch er ließ auch diese Ansicht nicht gelten. »Du hältst niemanden mit diesem Zeug zum Narren. Du glaubst, ich hätte nicht zugehört, wie du redest? Ich weiß, ich weiß, du bist keine, die bloß herumquasselt; du bist nur eine Floakerin, blah … blah. Als ob du deine eigene Dichtung nicht lesen würdest, als ob du Sprache als selbstverständlich voraussetzt.« Er schüttelte den Kopf. »Wie dem auch sei, du wirst mich noch meinen Job kosten mit Gerede wie diesem. › Worte können es nicht ausdrücken ‹ – von wegen! So etwas gibt es nicht.«
    Ich legte meine Hand auf seinen Mund. »Aber genau so ist es«, sagte ich zu ihm.
    »Nun ja, zugegebenermaßen …« – er sprach durch meine Finger, wobei er im gleichen lehrerhaften Ton fortfuhr, der jetzt allerdings gedämpft war –, »… Wörter können nicht wirklich Referenten sein , das räume ich dir gegenüber ein. Das ist die Tragödie der Sprache, doch unsere asymptotischen Anstrengungen, sie einzusetzen, sind auch nicht einfach nur nichts.«
    Sei still, du, erwiderte ich. Das ist alles richtig, sagte ich; dies sprach ich wie ein Gastgeber.
    »Nun gut«, meinte er, »ich ziehe meine Worte zurück angesichts der Wahrheit.«
    Eine lange Zeit hatte ich das Immer studiert, doch mein erster Moment der Immer-Eintauchung war so unmöglich zu beschreiben gewesen, wie ich es beharrlich behauptete. Mit einer Handvoll anderer Karta-genehmigten neuen Mannschaftsmitgliedern und Auswanderern sowie Bremener Botschaftsmitarbeitern, die ihre Aufträge beendet hatten, war ich mit einer Ketsch zu meinem Luftschiff gekommen. Mein erster Dienst war auf der Wespe von Kolkata . Es war quasi-autonom – ein Stadtschiff, das unter eigener Flagge eintauchte und von Dagostin für diese Fahrt unter Vertrag genommen worden war. Ich erinnere mich genau: Ich stand mit all den anderen Grünschnäbeln im Ausguck; Arieka war eine Mauer quer über dem Himmel, durch den wir uns mit hübscher Sorgfalt auf unseren Immer-Eintauchungspunkt zubewegten. Irgendwo unterhalb der scheinbar feststehenden Wolke lag Botschaftsstadt.
    Die Steuerperson brachte uns in die Nähe von Wrack . Es war kaum zu erkennen. Zuerst sah es wie Linien aus, die man über den Weltraum gezogen hatte, dann war es kurz in fadenscheiniger Weise materiell. Immer wieder ebbte es ab und strömte dann erneut in Solidität. Es durchmaß Hunderte von Metern. Es drehte sich, und all seine Ausleger bewegten sich, jeder von ihnen auf seine eigene Weise; seine filigrane Form wie von Trägern und geronnenen Tränentropfen wirbelte vielschichtig.
    Die Konstruktion von Wrack ähnelte ungefähr der von der Wespe , doch es war veraltet und schien ein Vielfaches der Abmessungen unseres Schiffes zu haben. Es war wie ein Original, von dem wir ein maßstabgetreues Modell waren, bis es abrupt die Dimensionen wechselte und klein wurde oder weit entfernt war. Gelegentlich war es gar nicht da und manchmal nur gerade erst.
    Offiziere, unter deren Haut Augmens schimmerten, erinnerten uns Erstmalige daran, was wir im Begriff waren zu tun, und an die Gefahren des Immer. Dies hier, Wrack , zeigte uns das, und es zeigte uns, weshalb Arieka ein Außenposten war – so schwer zu erreichen, so unterentwickelt und nach jener ersten Katastrophe trabantenlos war.
    Ich würde professionell sein, hatte ich mir vorgenommen. Ja, ich war im Begriff, das erste Mal in das Immer einzutauchen, und ich würde alles tun, was man mir befahl. Heute denke ich, dass ich es gut gemacht hätte. Aber die Offiziere erinnerten sich daran, wie es war, ein Neuling zu sein, und sie brachten uns, diese Handvoll neuer Immer-Eintaucher, an einen Ort, wo wir beobachten konnten. Wo wir reagieren konnten, wie wir mussten, weil die Fertigkeiten, die wie eingeübt hatten, niemals garantieren konnten, dass man beim ersten Mal nicht krank werden würde. Hier konnten wir uns einen Augenblick Zeit für unsere Ehrfurcht nehmen und sie so erleben, wie auch immer wir sie erleben würden. Es gibt Strömungen und Gewitterfronten im Immer. Es gibt Gebiete im Immer, die eine ungeheure Fertigkeit und enorm viel Zeit erfordern, um sie zu durchqueren. All dies gehörte zu den Techniken, die ich jetzt kannte, zusammen mit der Körperkontrolle, der mantrischen Besonnenheit und der antrainierten Nüchternheit, die mich zu einer

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