Stadt der Fremden
hundegroßen Beutetiere der Ebene zu umzingeln.
Wir waren zu groß für sie, trotzdem behielten sie uns im Auge. Geflügelte Wesen jagten vor unseren Fackeln dahin: Wühlende Fresser von phosphoreszierender Fäulnis, die sich gewöhnlich in leuchtendem Boden eingruben. Sie tauchten auf und nagten irritiert an dem Licht, das einen Ring um unser Lager bildete.
Unseren Gefangenen nahmen wir nicht von der Leine: Wir vertrauten ihm nicht und wussten auch nicht, wie man entscheiden sollte, ob er vertrauenswürdig wurde. Doch seit Tagen hatten wir ihn mit geringerer Furcht behandelt, und jetzt mit noch weniger Angst. Die neuen Ex-Gastgeber-Lügner betrachteten ihn und flüsterten miteinander: Sie raunten sich Wörter zu, die sie unzählige Male verwendet hatten und die jetzt sehr unterschiedliche Dinge taten. Am frühen Morgen veränderte sich etwas. Die Ariekei umkreisten den Gefangenen. Weder schnaufte er, noch holte er nach ihnen aus, oder nach mir, oder Bren oder YlSib. Er beobachtete uns und schaute auch den anderen Ariekei zu.
28
Spanischer Tänzer und unser Gefangener umkreisten sich. Die anderen hatten einen Ring um sie gebildet. Alle paar Sekunden stieß einer der beiden seinen Präsentflügel vor, wie ein Messerkämpfer, der nach einer Blöße sucht. Er skizzierte in groben Zügen irgendeinen Umriss in der Luft. Dann gab es eine Pause, und der andere tat es ihm gleich. Der Fächerflügel von Spanischer Tänzer kräuselte sich auf und schloss sich wieder. Der Stummel des Sprache losen zitterte.
Die Gesten waren Informationen: Bewegungstelegramme. Unterhaltung. Sie verstanden einander nicht, doch sie wussten, dass es etwas zu verstehen gab. Und das war eine Befreiung. Als sie eine Kommunikation herstellten – was etwas lächerlich wirkte, da Spanischer Tänzer eine fleischige Knospe warf, dann in die murmelnde wilde Tierwelt hineinzeigte, wo sie lag, woraufhin der Absurde sie aufnahm –, war ihre Euphorie selbst in ihrer fremdartigen Form spürbar.
Indem Spanischer Tänzer signifizierte, konnte er nun durch Gesten sprechen. Für unseren Gefangenen, der nicht mehr länger einen Namen hatte, war die Fremdartigkeit vielleicht größer. Er hatte dasohne Wörter gedacht, er besaß keine Sprache. Seine Kameraden kommunizierten miteinander, obschon sie niemals wussten, dass sie es taten – vor allem nicht über die Kluft hinweg mit einem Ariekei, dem der Fächerflügel nicht herausgerissen worden war. Und das, was sie zumeist gegenseitig zum Ausdruck brachten, war genau die Hoffnungslosigkeit, die sie glauben ließ, sie wären isoliert.
Doch während der Panik des Angriffs und während unseres Entkommens hatte unser Gefangener die durch Schubsen und Zeigen ausgedrückten Fluchtanweisungen verstanden. Er hatte beobachtet, wie Bren, YlSib und ich miteinander sprachen und uns gegenseitig zuhörten, verbunden mit Gesten, um etwas zu betonen und zu verdeutlichen. Der Rest der Absurdenarmee hatte niemals über diese Gebärden nachdenken müssen. Spanischer Tänzer hatte gelernt, dass er sprechen konnte, ohne zu sprechen. Der Absurde hatte gelernt, dass er sprechen konnte – und zuhören.
»Sie haben ihn herumgerissen«, erklärte Bren. »Es war unmöglich für ihn, nicht zu wissen, was sie meinten: Sie schubsten und zeigten in dieselbe Richtung. Sie veranlassten ihn dazu, ihnen zu gehorchen. Vielleicht benötigt man Gewalt, damit sich jemand eine Sprache aneignet.«
»Bren, das ist Mist«, widersprach ich ihm. »Wir sind alle in dieselbe Richtung gerannt. Wir alle haben versucht, da herauszukommen. Wir hatten die gleiche Absicht. Auf diese Weise hat er erkannt, was wir machen.«
Er schüttelte den Kopf und verkündete förmlich: » Sprache ist die Fortführung von Zwang mit anderen Mitteln.«
»Schwachsinn. Sie ist Kooperation.« Beide Theorien erklärten plausibel, was sich abgespielt hatte. Ich widerstand zu sagen, dass sie nicht so widersprüchlich waren, wie sie klangen: Denn eine solche Äußerung empfand ich als recht abgedroschen.
»Schau!«, rief ich und zeigte über den Horizont. Dort waren Rauch und Flecken am Himmel.
»Das kann nicht sein«, murmelte Bren, als ob er mit sich reden würde, während wir so schnell wie möglich liefen. »Sie wollten dochwarten.« Er äußerte dies mehr als einmal. Als weit entfernt Flecken auf dem flechtenbewachsenen Hügelland auftauchten, gaben wir vor, dass dies viele Dinge sein könnten, bis wir zu nah herangekommen waren, um leugnen zu können, dass es Leichen
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