Stadt der Lüste
selbst in die Hand genommen hatte, und an Ians anonymen Drohbrief. Tatsächlich waren ihr von allen Angestellten nur Sonia und Tony aus dem Weg gegangen.
»Ich kenne Catherine bereits seit einigen Jahren«, begann sie. »Wie ihr sicherlich festgestellt habt, ist die Immobilienbranche nicht mein Fachgebiet. Ich habe erst kürzlich meinen Job in der Finanzwelt aufgegeben und werde neunundvierzig Prozent der Lomax-Immobilienagentur übernehmen. Die übrigen einundfünfzig Prozent bleiben bei Catherine. Meine einzige Absicht ist es, als stille Teilhaberin in die Agentur zu investieren. Falls Probleme auftauchen, bei denen ich helfen kann, werde ich das selbstverständlich tun, aber davon abgesehen soll jemand die Firma führen, der sich voll und ganz damit auskennt: Catherine.«
Als Emma Catherines Namen aussprach, sah sie Sonia an, deren starres Lächeln sich verflüchtigt hatte.
»Es war meine Idee, euch nicht den wahren Grund meiner Anwesenheit zu verraten. In meinem vorigen Job habe ich auf Geheiß und mit dem Geld anderer Leute Firmen gekauft, über die ich jedoch meist nursehr wenig wusste. Dieses Mal beschloss ich, die Firma eingehender unter die Lupe zu nehmen, um wirklich zu verstehen, was in dem Unternehmen vor sich geht.«
Tony Wilson hatte Schweißperlen auf der Stirn und warf Sonia nervöse Blicke zu. Emma befürchtete, dass er gleich zur Tür stürzen und davonlaufen würde.
»Es tut mir leid, falls sich jemand in die Irre geleitet fühlt. Ich wollte lediglich die Agentur kennenlernen, nicht die Mitarbeiter ausspionieren. Das war eine Geschäftspraktik, kein psychologischer Feldversuch. Mir hat die Zeit hier sehr gefallen, und ich finde, dass ihr alle ein großer Gewinn für die Agentur seid.«
Sie bemerkte, dass sich Tony Wilson entspannte. Er atmete sichtlich auf. Wahrscheinlich glaubte er, er wäre noch einmal davongekommen.
»Ich kann mir vorstellen, dass ihr eine Menge Fragen habt«, warf Catherine ein.
Im Konferenzzimmer herrschte unbehagliches Schweigen.
»Vielleicht können wir uns heute Abend nach der Arbeit noch einmal zusammensetzen«, fuhr Catherine fort. »Wie Emma bereits sagte, übernimmt sie neunundvierzig Prozent der Agentur. Darüber hinaus haben wir uns darauf geeinigt, dass jeder von euch als Zeichen der Anerkennung die Kaufoption auf eine Vorzugsaktie erhält. Wir möchten, dass ihr alle von dieser Investition profitiert.«
Es folgte ein zustimmendes Gemurmel, und schließlich erhoben sich alle, um zurück an die Arbeit zu gehen.
»Sonia, können wir uns kurz unterhalten?«, fragte Catherine, als Sonia an ihr vorbeigehen wollte.
Tony Wilson äugte zu ihnen herüber, senkte dann schnell den Blick und verließ mit den anderen den Raum.
Sonia setzte sich wieder hin. Das Lächeln war auf ihr Gesicht zurückgekehrt.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte sie zu Emma.
»Sonia«, sagte Emma und legte eine kurze Pause ein, um den Effekt zu erhöhen. »Was kannst du mir über die Consulting-Firma Morgan-Court erzählen?«
Sonia schluckte schwer, schwieg aber.
»Ich habe mir die detaillierten Kontodaten von Lomax angesehen und bin auf Zahlungen an Morgan-Court Consulting gestoßen, die als Beraterhonorare aufgeführt werden. Soweit ich das überblicken kann, hat die Lomax-Immobilienagentur der Firma in den letzten sechs Jahren insgesamt einhundertsiebenundzwanzigtausend Pfund bezahlt. Du bist die Zeichnungsberechtigte des Kontos von Morgan-Court, auf dem sich momentan, lass mich nachsehen, siebenundachtzigtausend Pfund befinden. Ist das eine Art Notgroschen? Eine private Altersvorsorge?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, sagte Sonia und sah Catherine an, als erwarte sie von ihr, dass sie eingriff.
»Das Haus, in dem Tony Wilson wohnt, wurde von Lomax erworben und dann an Morgan-Court überschrieben«, fuhr Emma fort. »Der Wert des Hauses belief sich auf einhundertachttausend Pfund, trotzdem wurde es für nur siebenundvierzigtausend Pfund anMorgan-Court verkauft. Ich habe gestern mit Tonys Frau gesprochen. Sie hat ihn seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen. Sie sind geschieden und haben ihr gemeinsames Haus verkauft. Soweit mir bekannt ist, hat Tony für das Haus in Whitton niemals Miete gezahlt. Es nutzt dir überhaupt nichts, die ganze Zeit Catherine anzustarren, Sonia. Sie weiß über alles Bescheid.«
»Und was weißt du?«, fragte Sonia sie gehässig. »Du kommst hier in deinem feinen Anzug reingesegelt und glaubst, du könntest den Laden kaufen. Hast du eine
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