Stadt der Lüste
Catherine.
»Wahrscheinlich fällt es den Leuten leichter, etwas zu sagen, wenn ich nicht anwesend bin. Ich will niemanden in die Enge treiben. Du kannst ja noch ein paar Worte über die Investition verlieren und den anderen dann mitteilen, dass Sonia und Tony gekündigt haben.«
»Bist du dir wirklich sicher, was die Vorzugsaktien betrifft?«, fragte Catherine. »Es ist dein Geld, und letztendlich läuft diese Vorgehensweise darauf hinaus, dass du den Mitarbeitern etwas davon abgibst.«
»Vielleicht können wir ja mit dem Geld arbeiten, das Sonia zurückzahlt. Ich glaube, dass die Maßnahme der Arbeitsmoral und Atmosphäre in der Agentur zugutekäme. Mit den Anteilen vermitteln wir den Angestellten das Gefühl, dass sie wirklich dazugehören. Und selbst wenn sie dies nur als Möglichkeit betrachten, schnell zu etwas Geld zu kommen, wird sich ihre Einstellung gegenüber der Firma doch verbessern.«
»Was hast du eigentlich als Nächstes vor?«, fragte Catherine.
»Urlaub machen«, erwiderte Emma.
Zweiundzwanzig
Das Meer war derart klar, dass das Boot mitten in der Luft zu dümpeln schien. Jedes Mal, wenn Emma einen Hechtsprung von Bord machte, konnte sie nicht exakt bemessen, wann sie auf die Wasseroberfläche treffen würde.
Jetzt saß sie nackt auf einem Liegestuhl, ließ sich von der Sonne trocknen und hing ihren Gedanken nach. Sie waren seit fast sechs Wochen mit Nic Lawsons Boot unterwegs, lebten einfach in den Tag hinein, sonnten sich, genossen kühle Drinks und gutes Essen und hatten immer noch keine Pläne geschmiedet, was sie nach ihrer Rückkehr tun würden. Sie waren sich nicht einmal sicher, wohin sie zurückkehren sollten.
Matt blieb vor ihr stehen und wedelte mit einem Blatt Papier. Er trug Shorts, die seine schmalen Hüften betonten. Emma sah zu ihm hoch.
»Ein Fax für dich«, sagte er.
Er reichte ihr das Blatt, zog die Shorts aus und machte es sich auf dem Liegestuhl neben ihr bequem.
Das Boot war mit so viel Technik ausgestattet, dass es problemlos als Büro dienen konnte. Emma hatte Catherine und Chris kontaktiert und ihnen mitgeteilt, wie sie zu erreichen war, doch keiner von beiden hatte sie allzu oft belästigt. Das Fax stammte von Catherine. Offenbar lief bei Lomax alles hervorragend. Emma hatte Catherine gebeten, den alten Namen beizubehalten.Lomax-Fox klang ein wenig plump, außerdem wollte Emma nicht namentlich erwähnt werden. Lomax-Fox war lediglich ein netter Seitenhieb gewesen, um Sonia Morgan auf die Palme zu bringen.
Tony und Sonia hatten das veruntreute Geld an Lomax zurückgezahlt und waren danach spurlos verschwunden. Emma vermutete, dass sie irgendwo noch mehr Geld beiseitegeschafft hatten, verspürte aber nicht die geringste Lust, auch diesen Schlupfwinkel aufzustöbern. Catherine war glücklich, weil sie wieder die Kontrolle über die Agentur hatte, und Emma war froh, dass auch ohne ihre Hilfe alles reibungslos funktionierte.
Vor sechs Wochen hatte sie zum letzten Mal den Fuß in die Agentur gesetzt. Noch einmal sechs Wochen zuvor war sie bei Morse Callahan ausgestiegen. Sie hatte seitdem von keinem ihrer alten Kollegen etwas gehört, was sie jedoch weder überraschte noch traurig stimmte. Sobald jemand die Wall Street verließ, existierte er für die Menschen dort nicht mehr. Und für sie, Emma, existierte diese Welt ebenfalls nicht mehr. Vor sechs Wochen hatte sie Matt gesagt, dass sie ihn liebte. Sie hatten nicht weiter darüber gesprochen, aber Emma sah keinen Grund, ihr Geständnis zu bereuen. Im Gegenteil. Je mehr Zeit sie mit Matt verbrachte, desto stärker wurde das Gefühl. Diese Erfahrung war etwas völlig Neues für sie, und das gefiel ihr.
Sie stand auf und holte etwas aus ihrer Tasche, das sie ganz bewusst eingepackt, danach jedoch vollkommen vergessen hatte.
Bis zu diesem Moment.
Sie lehnte sich an die Reling des Bootes und blickte über das Meer. Der Horizont war nur schwer auszumachen, da Wasser und Himmel miteinander verschmolzen. Dann betrachtete sie die Patek-Philippe-Uhr, das Abschiedsgeschenk von Morse Callahan, und fuhr mit den Fingerspitzen über das Glas des Zifferblatts. Sie drehte die Uhr um und las noch einmal die eingravierte Inschrift.
»Von deinen Freunden bei MC.«
Mit einer geschmeidigen Bewegung warf Emma die Uhr weit von sich und beobachtete, wie sie unendlich langsam durch die Luft flog, bis sie schließlich spritzend auf die Wasseroberfläche traf.
»Was war das?«, fragte Matt hinter ihr.
»Nichts«, erwiderte sie und
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