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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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er soeben von einem beinah vergessenen europäischen Freund einen Besitz geerbt habe, wolle er darangehen, die ihm verbleibenden Jahre in einer strahlenderen zweiten Jugend zu verbringen, die Ausgeglichenheit, Sorgfalt und Diät ihm geschenkt hatten. Man sah ihn immer seltener in Red Hook, und er bewegte sich mehr und mehr in der Gesellschaft, in der er geboren war. Polizisten bemerkten, daß die Gangster jetzt mehr dazu neigten, in der alten Steinkirche und im Tanzsaal, anstatt in der Parterrewohnung in Parker Place zusammenzutreffen, obwohl die letztere mitsamt ihren Anbauten noch immer von ungesundem Leben überquoll.
    Dann traten zwei Ereignisse ein − weit voneinander entfernt, aber in Malones Augen beide von großem Interesse für den Fall. Eines war die unauffällige Ankündigung im Eagle von Robert Suydams Verlobung mit Miß Cornelia Gerritsen aus Bayside, einer jungen Dame in hervorragender Lebensstellung und mit dem ältlichen Bräutigam entfernt verwandt, während das andere von einer Polizeirazzia auf die Tanzsaalkirche berichtete, die auf eine Meldung hin erfolgt war, man habe flüchtig das Gesicht eines entführten Kindes an einem Parterrefenster gesehen. Malone hatte an dieser Razzia teilgenommen, und er studierte den Ort sehr sorgfältig, als er darinnen war. Nichts wurde gefunden −
    das Gebäude war tatsächlich völlig verlassen, als man es aufsuchte − aber der sensible Kelte war durch viele Dinge im Innern leise beunruhigt. Da waren primitiv bemalte Tafeln, die die Gesichter von Heiligen mit merkwürdig weltlichem und höhnischem Ausdruck darstellten und die sich manchmal Freiheiten herausnahmen, die selbst das Anstandsgefühl eines Laien nicht hingehen lassen konnte. Dann war auch die griechische Inschrift an der Wand über der Kanzel nicht nach seinem Geschmack, eine alte Zauberformel, auf die er einmal in seiner Zeit am Dublin College gestoßen war und die, wörtlich übersetzt, so lautete,
    »O Freund und Gefährte der Nacht, du, den das Bellen des Hundes und das vergossene Blut erfreut, der inmitten der Schatten zwischen den Gräbern 44
    wandelt, der nach Blut lechzt und den Sterblichen Schrecken bringt, Gorgo, Mormo, Mond mit tausend Gesichtern, schaut gnädig auf unser Opfer!«
    Ihn schauderte, während er dies las, und er dachte nebenbei an die verstimmten Baßorgeltöne, die er unterhalb der Kirche in gewissen Nächten zu hören geglaubt hatte. Ihn schauderte erneut beim Anblick des Rostes am Rande eines Metallbeckens, das auf dem Altar stand, und blieb unruhig stehen, als seine Nase irgendwo in der Nachbarschaft einen sonderbaren und schrecklichen Gestank wahrnahm. Diese Erinnerung an die Orgel verfolgte ihn, und er durchforschte den Keller mit besonderer Gründlichkeit, bevor er ging. Der Ort war ihm zuwider, und dennoch, waren die gotteslästerlichen Tafeln und Inschriften mehr als Geschmacklosigkeiten, ausgeführt von Unwissenden?
    Als Suydams Hochzeit herannahte, war die Entführungsepidemie ein öffentlicher Zeitungsskandal geworden. Die meisten Opfer waren Kinder der untersten Klasse, aber die steigende Zahl der Entführungen hatte ein Gefühl größten Zornes ausgelöst. Journalisten riefen die Polizei zum Handeln auf, und das Butler−Street−Polizeirevier ließ erneut seine Leute über Red Hook nach Indizien, Entdeckungen und Verbrechern ausschwärmen. Malone war glücklich, wieder auf der Spur zu sein, und war stolz darauf, in einem von Suydams Parker−Place−Häusern eine Razzia durchführen zu dürfen. Man fand dort tatsächlich keines der gestohlenen Kinder, trotz der Berichte von Schreien und einer roten Schärpe, die man in der Hintergasse gefunden hatte, aber die Malereien und rohen Inschriften an den abblätternden Wänden der meisten Zimmer und das einfache chemische Labor im Speicher, alles trug dazu bei, den Detektiv zu überzeugen, daß er auf der Spur von etwas Ungeheuerlichem sei.
    Die Malereien waren abscheulich − schreckliche Ungeheuer jeder Form und Größe und Parodien menschlicher Umrisse, die nicht geschildert werden können. Die Schrift war rot und wechselte zwischen arabischen, griechischen, römischen und hebräischen Buchstaben. Malone konnte das meiste davon nicht lesen, aber was er entzifferte, war unheimlich und kabbalistisch genug. Ein häufig wiederholtes Motto war in einer Art hebraisiertem Griechisch und ließ auf schreckliche Teufelsbeschwörungen der alexandrinischen Dekadenz schließen.
    »HEL. HELOYM. EMMANVEL. SABAOTH.

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