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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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innerste Geheimnis der Furcht zu ergründen; die ich nun wieder als endgültig festgelegt, stofflich und für einen lebenden Organismus hielt.

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    Meine unentschlossenen Überlegungen, ob ich den Durchgang sofort und allein mit meiner Taschenlampe durchforschen, oder ob ich für diese Suche eine Schar Siedler zusammentrommeln solle, wurden nach einiger Zeit durch einen plötzlichen Windstoß von draußen unterbrochen, der die Kerze ausblies und mich in völliger Dunkelheit zurückließ. Der Mond schien nicht länger durch die Risse und Öffnungen über mir, und mit einem Gefühl verhängnisvoller Bestürzung hörte ich das unheimliche und bedeutungsvolle Grollen eines herannahenden Gewitters. Ein Durcheinander zusammengehöriger Gedanken ergriff von meinem Geist Besitz und veranlaßte mich, mich in die entfernteste Ecke des Kellers zurückzutasten. Meine Augen wandten sich indessen nicht einen Moment von der schrecklichen Öffnung im Fundament des Kamins ab, und ich begann flüchtige Eindrücke der zerbröckelnden Ziegel und der unnatürlichen Unkräuter aufzunehmen, als schwacher Blitzschein die Unkrautmassen draußen durchdrang und die Risse in der oberen Mauer erleuchtete. Jede Sekunde wurde ich von einer Mischung aus Furcht und Neugier verzehrt. Was würde der Sturm hervorlocken − oder war überhaupt noch etwas übrig, um es hervorzulocken? Vom Licht eines Blitzes geleitet, ließ ich mich hinter einer dichten Vegetationsgruppe nieder, durch die ich die Öffnung sehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden.
    Wenn der Himmel Erbarmen hat, dann wird er eines Tages aus meinem Bewußtsein den Anblick dessen auslöschen, was ich sah, und mich die letzten Jahre in Frieden leben lassen. Ich kann jetzt nachts nicht schlafen und muß Betäubungsmittel nehmen, wenn es donnert. Das Ding tauchte ganz plötzlich und unangekündigt auf, ein teuflisches, rattenähnliches Huschen aus entfernten und unvorstellbaren Schlünden, ein höllisches Keuchen und unterdrücktes Grunzen, und dann brach aus der Öffnung unter dem Kamin eine Masse aussätzigen Lebens hervor − eine Abscheu erregende nachtgeborene Flut körperlicher Verkommenheit, von verheerender Schrecklichkeit als die schwärzesten Gaukeleien von sterblichem Wahnsinn und Krankhaftigkeit.
    Wirbelnd, kochend, herandrängend, brodelnd wie kriechende Schlangen rollte es heran und aus dem gähnenden Loch heraus, sich wie eine verderbliche Ansteckung ausbreitend und aus dem Keller durch jeden Ausgang hinausströmend − hinausströmend, um sich in dem verfluchten mitternächtlichen Forst zu zerstreuen, um Furcht, Wahnsinn und Tod zu verbreiten. Wie viele es waren, weiß Gott allein − es müssen Tausende gewesen sein. Ihren Strom in dem schwachen, wechselnden Licht zu erblicken, war entsetzlich. Als es so wenige geworden waren, daß man sie als Einzelwesen erkennen konnte, sah ich, daß sie zwergenhafte, deformierte, haarige Teufel oder Affen waren − schreckliche und teuflische Karikaturen der Gattung Affe.
    Sie waren so entsetzlich still, da war kaum ein Schrei, als einer der letzten Nachzügler sich mit der Gewandtheit langer Übung umdrehte, um aus einem schwächeren Genossen in gewohnter Weise einen Fraß zu machen. Andere schnappten auf, was er übrigließ und fraßen mit schmatzendem Genießen. Dann triumphierte trotz meiner Angstbenommenheit und des Absehens meine krankhafte Neugier, und als der letzte der Unholde allein aus der jenseitigen Welt unbekannter Alpträume hervorkam, zog ich meine automatische Pistole und erschoß ihn unter dem Schutz des Gewitters. Kreischend, dahinkriechend, ungestüme Schatten roten, zähen, haftenden Wahnsinns, die einander durch endlose, blutbefleckte Korridore des purpurnen, blitzenden Himmels jagen ...
    formlose Traumgestalten; und kaleidoskopartige Verwandlungen einer 119
    gespenstischen Szene der Erinnerung; Wälder von monströs überentwickelten Eichen mit schlangengleichen Wurzeln, die sich winden und unnennbare Säfte aus einem Boden saugen, der von Millionen kannibalischer Teufel verseucht ist; erdwallähnliche Fangarme, die sich aus einem unterirdischen Kern polypenartiger Entartung hervortasten ... Wahnsinnsblitze über bösartigen, efeuumrankten Mauern und dämonische Arkaden, in üppig wuchernder Vegetation erstickend ... Dem Himmel sei Dank für den Instinkt, der mich unbewußt zu einem Ort führte, wo Menschen wohnen; zu dem friedlichen Dorf, das unter den ruhig herabblickenden Sternen des wieder aufklarenden Himmels

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