Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
Vom Netzwerk:
Nachwirkungen ich hier und dort als aufgerissene Erdspalten und Blitzröhren verschiedener Größe bemerkt hatte. Mit zyklopischer Wut durchfuhr es den Boden über dieser verdammten Höhle, mich zwar blind und taub, aber dennoch nicht ganz bewußtlos machend.
    Ich schlug und zappelte hilflos in dem Chaos gleitender, nachgebender Erde und sah, daß ich an einer mir vertrauten Stelle an die Oberfläche gelangt war; einer steilen unbewaldeten Stelle am Abhang des Berges. Wiederholtes Wetterleuchten erhellte den zerwühlten Boden und die Überreste des merkwürdigen, niederen Hügels, der sich von dem höherliegenden, bewaldeten Abhang herunterzog, aber es gab in dem Chaos nichts, das mir die Stelle meines Ausstiegs aus der tödlichen Katastrophe zeigte. Mein Hirn befand sich im selben Chaos wie die Erde, und als ein entfernter roter Schein plötzlich über der Landschaft vom Süden her hereinbrach, wurde mir das Grauen, das ich durchlebt hatte, nicht völlig klar.
    Aber als mir die Siedler zwei Tage später erklärten, was der rote Schein bedeute, fühlte ich ein stärkeres Grauen als das, welches der Gang in der Erde, die Klaue und die Augen verursacht hatten; noch mehr Grauen angesichts der überwältigenden Folgen. In einem zwanzig Meilen entfernten Weiler war dem Blitz, der mich an die Oberfläche brachte, eine Orgie der Furcht gefolgt. Ein namenloses Wesen hatte sich von einem überhängenden Baum in eine Hütte mit dünnem Dach fallen lassen. Es hatte eine Untat begangen, aber die Siedler hatten die Hütte in höchster Erregung in Brand gesetzt, bevor es entkommen konnte. Es hatte die Untat genau in dem Augenblick begangen, als die Erde über dem Geschöpf mit der Klaue und den Augen einbrach.
    IV Das Grauen in den Augen
    Jemand muß geistig nicht normal sein, der nachdem, was er vom Grauen des Tempest Mountain weiß, allein nach dem Schrecken, der dort lauert, sucht. Daß zum mindesten zwei der Verkörperungen der Furcht umgekommen waren, bildete keine große Gewähr für geistige und körperliche Sicherheit in dieser Unterwelt vielfältigen Diabolismus; dennoch setzte ich meine Suche mit vermehrtem Eifer fort, als die Ereignisse und Enthüllungen noch furchtbarer wurden. Als ich zwei Tage nach meiner schrecklichen Kriecherei durch die Höhle des Wesens mit den Augen und der Klaue erfuhr, daß ein solches Wesen 116
    zwanzig Meilen entfernt in böser Absicht auf der Lauer lag, genau in dem Moment, als die Augen mich anfunkelten, machte ich buchstäblich Angstkrämpfe durch. Diese Furcht war jedoch derart mit Staunen und lokkender Absurdität gemischt, daß sie beinah eine angenehme Empfindung war. Manchmal, wenn unsichtbare Mächte einem in den Kämpfen eines Alptraums über die Dächer seltsamer toter Städte auf den gähnenden Abgrund von Nis zuwirbeln, ist es eine Erleichterung, ja sogar Entzücken, wie wild zu schreien und sich freiwillig im schrecklichen Wirbelstrom der Traumverdammnis entlangtreiben zu lassen, was auch für grundlose Tiefen sich auf tun mögen. Genauso war es mit dem wandelnden Alptraum von Tempest Mountain; die Entdeckung, daß zwei Ungeheuer dort umgegangen waren, erweckte in mir endgültig die wilde Gier, gerade in die Erde der verfluchten Gegend hineinzustürzen und mit bloßen Händen den Tod auszugraben, der aus jedem Zoll des giftigen Bodens hervorschaute.
    So bald als möglich besuchte ich das Grab von Jan Martense und grub vergeblich, wo ich vorher gegraben hatte. Eine ausgedehnte Senkung des Bodens hatte alle Spuren des unterirdischen Ganges verwischt, während der Regen so viel Erde in die Ausschachtung gespült hatte, daß ich nicht mehr entscheiden konnte, wie tief ich an jenem Tag gegraben hatte. Ich machte ebenfalls einen schwierigen Ausflug zu dem entfernten Weiler, wo die Todeskreatur verbrannt worden war, und wurde für meine Mühe nur gering belohnt. Ich fand in der Asche der verhängnisvollen Hütte verschiedene Knochen, die aber offenbar nicht dem Ungeheuer gehörten. Die Siedler berichteten, das Ding habe sich nur ein Opfer geholt; aber ich hielt sie darin für ungenau, da außer dem vollständigen Schädel eines menschlichen Wesens sich dort noch ein anderes Knochenbruchstück fand, das irgendwann einmal zu einem menschlichen Schädel gehört hatte. Obwohl der blitzschnelle Fall des Ungeheuers beobachtet worden war, konnte niemand genau sagen, wie es aussah; die, die es kurz gesehen hatten, nannten es einfach einen Teufel. Ich untersuchte den Baum, wo es gelauert

Weitere Kostenlose Bücher