Stadt unter dem Eis
Knackgeräusche aus. Die knochentrockene Luft der Antarktis machte aus einem Menschen einen mit Reibungselektrizität aufgeladenen Ball.
Als Drake die Kommandozentrale betrat, hieß ihn die Wärme, die von den Hightechradiatoren produziert wurde, willkommen. Kaum hatte er die Thermotür hinter sich geschlossen, winkte ihn der Funkoffizier zu sich.
Drake schüttelte den Schnee ab und stapfte zum Kontrollpult. Er entlud seine Hände an einem geerdeten Metallstreifen an den Pultkanten. Die Funken sprühten kurz auf, aber das war weniger schlimm, als wenn er versehentlich die Computer mit den ganzen Daten beeinträchtigt hätte. »Was gibt's?«
»Unsere Funkwellenmessungen haben vielleicht was aufgezeichnet.« Der Funkoffizier tippte an seinen Kopfhörer. »Für ein natürliches Phänomen ist es zu gleichmäßig.«
Drake runzelte die Stirn. »Schalten Sie die Lautsprecher ein.«
Der Funkoffizier knipste einen Schalter an. Ein gleichmäßiges rhythmisches Grollen erfüllte daraufhin den Raum. Drake zog die Parkakapuze zurück, und buschiges, hochstehendes dunkles Haar kam zum Vorschein. Er berührte das Pult mit dem Finger und spitzte die Ohren; es war eindeutig ein mechanisches Geräusch.
»Das sind die Jungs von der UNACOM«, sagte Drake. »Die sind auf dem Weg zu uns. Wahrscheinlich hören wir da ihre Hägglunds-Schneeraupen.« Drake stellte sich schon die bevorstehende Aufregung auf internationaler Ebene vor. Yeats würde völlig durchdrehen. »Wie weit weg, Lieutenant?«
»Eine Meile unter uns, Sir«, antwortete der Funkoffizier verwirrt.
»Unter uns?« Drake sah den Lieutenant an. Das Brummen wurde lauter.
Eine der Deckenlampen fing an, hin und her zu schwingen. Das Rumpeln brachte den Boden zum Beben, als nahte ein Güterzug.
»Das kommt nicht aus dem Lautsprecher«, brüllte Drake. »Lieutenant, nehmen Sie sofort Funkkontakt zu Washington auf!«
»Bin schon dabei, Sir.« Der Lieutenant hantierte an den Schaltern herum. »Es antwortet niemand.«
»Versuchen Sie es auf einer anderen Frequenz«, sagte Drake.
»Nichts.«
Von oben war ein Knacken zu hören. Drake konnte den herabfallenden Eisbrocken gerade noch ausweichen. »Und im UKW-Bereich?«
Der Lieutenant schüttelte den Kopf. »Funkstille.«
»Mist!« Drake eilte zum Regal mit den Waffen, nahm sich dort ein gegen die Kälte isoliertes Sturmgewehr M-16 heraus und bewegte sich damit in Richtung Tür. »Stellen Sie die Verbindung über Satellit her!«
Drake öffnete die Luke und rannte nach draußen. Das Rumpeln war ohrenbetäubend. Keuchend lief er mit langen Schritten über das Eis zum Rand des Camps und blieb dort stehen.
Drake hob das M-16 und suchte durch das Nachtsichtvisier den Horizont ab.
Nichts, nur eine unheimliche grüne Aura, die vom wirbelnden Polarnebel erhellt wurde. Er schaute weiter und rechnete damit, gleich die Umrisse von Hägglunds-Transportern der UNACOM auszumachen. Es klang, als wären hunderte davon im Anmarsch. Verdammt noch mal. Womöglich kamen die Russen mit ihren tonnenschweren Charkowtschanka-Ungetümen.
Dann bebte der Boden unter ihm. Er blickte nach unten, sah einen gezackten Schatten zwischen seinen Stiefeln hindurchschießen und machte einen Satz zurück. Der Riss im Eis wurde immer größer.
Er schulterte sein M-16 und rannte los, um möglichst vor dem Riss zur Kommandozentrale zu kommen. Überall gellten Rufe. In Panik geratene Soldaten waren wegen der Erschütterung aus ihren Fiberglas-Iglus gestürzt. Plötzlich gingen die Rufe im Heulen des Windes unter.
Wie in einem Windkanal raste die eisige Luft über sie hinweg. Der Fallwind warf Drake von den Beinen. Er rutschte aus und knallte aufs Eis. Mit dem Hinterkopf schlug er so heftig auf dem Boden auf, dass er sofort das Bewusstsein verlor.
Als Drake wieder zu sich kam, hatte sich der Wind gelegt. Eine Weile lag er einfach nur da, dann hob er den vor Schmerz hämmernden Kopf und lugte unter der schneebedeckten Parkakapuze hervor.
Die Kommandozentrale war verschwunden. Jetzt tat sich an deren Stelle ein schwarzer Abgrund auf, ein riesiger, ungefähr hundert Meter breiter, halbmondförmiger Spalt, der das gesamte Basislager verschluckt hatte. Er hoffte, dass die eisige Kälte ihn nur phantasieren ließ, jedenfalls hätte er schwören können, dass sich dieser Spalt fast eine Meile weit durch das Eis zog.
Langsam schleppte er sich zu der sichelförmigen Schlucht. Er musste unbedingt herausfinden, was passiert war, wer überlebt hatte und wer medizinische
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