Stadtfeind Nr.1
Highschooljahr zusammen und liebten uns mit der glühenden, zeitlosen Überzeugung von Teenagern. Es war dasselbe Jahr, in dem sich all die schrecklichen Ereignisse zutrugen, die in meinem Roman geschildert werden, und meine Beziehung zu ihr war der einzige Lichtblick in meinem immer trostloser ausufernden Universum.
Wenn man es ganz genau nehmen will, haben wir eigentlich nie wirklich Schluss gemacht. Wir haben die Highschool abgeschlossen und sind jeder auf ein anderes College gegangen, Carly oben in Harvard und ich unten in New York. Wir haben dieses Fernbeziehungsding versucht, aber meine hartnäckige Weigerung, für unsere gemeinsamen Ferien nach Falls zurückzukehren, machte es
nicht leicht, und im Laufe der Zeit haben wir uns einfach auseinander entwickelt, ohne unsere Beziehung je offiziell zu lösen. Nach dem College kam Carly nach New York, um Journalismus zu studieren, und wir fingen eine dieser langen, komplizierten Postgraduierten-Freundschaften an, in denen man gerade genug Sex hat, um sich gegenseitig höllisch zu verunsichern, und letztendlich, nach einer Kette von Komplikationen durch schlechtes Timing und dritte Parteien, hatten wir das Leben aus dem gevögelt, was einmal das Reinste war, was man je kannte.
Damals liebten wir uns immer noch, so viel stand fest, aber während Carly bereit schien, unsere Beziehung noch einmal neu aufzubauen, fand ich immer wieder andere Gründe, mich nicht festzulegen. So sehr ich sie auch liebte - und das tat ich wirklich -, verglich ich doch ständig das Timbre unserer Beziehung mit der wilden Schönheit, dem Gefühl von Entdeckung, das jeden unserer Augenblicke begleitet hatte, als wir siebzehn waren. Bis ich das kolossale Ausmaß meines Fehlers endlich begriff, war es zu spät, und Carly war gegangen. Sie einmal zu verlieren war traurig, aber verständlich. Mein gedankenloses Vertun der zweiten Chance, die die Schicksalsgöttinnen mir gewährten, erforderte eine solch kräftige Mischung aus Arroganz und Dummheit, dass sie überirdisch gewesen sein muss, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht immer ein solch absolutes Arschloch gewesen bin.
Ich habe mir die Spielchen nie verziehen, die ich während ihrer Jahre in New York mit ihr getrieben habe - sie zu umwerben, wenn ich spürte, dass sie mir entglitt, und mich in dem Augenblick zurückzuziehen, in dem ich mich wieder sicher fühlte. Ich benutzte ihren unerschütterlichen Glauben an uns, um mir Halt zu geben, selbst zu Zeiten, zu denen ich ihn nicht teilte, und hielt sie mit Versprechungen, sowohl mit ausgesprochenen als auch mit angedeuteten, an meiner Seite, die aber immer unerfüllt blieben. Als ich endlich zu begreifen begann, wie schlimm ich sie missbraucht hatte, hatte ich sie bereits völlig verbraucht. Sie verließ New York angewidert und mit gebrochenem Herzen und kehrte nach Falls zurück, um eine Stelle als Chefredakteurin bei The Minuteman anzunehmen, dem Lokalblatt der Stadt. Jedes Mal, wenn ich denke, dass ich über sie hinweggekommen bin, wache ich plötzlich mitten in der Nacht auf und verzehre mich mit einer solchen Verzweiflung nach ihr, dass man glauben könnte, es sei erst gestern gewesen und nicht schon zehn Jahre her, seit sie gegangen ist.
Seitdem vergeht nicht ein Tag, an dem ich nicht von einem unbestimmten, aber starken Gefühl von Reue heimgesucht werde; jede Frau, mit der ich ausgehe, ist nicht mehr als eine Erinnerung an das, was ich verloren gehen ließ. Und so liegt es in gewisser Weise an Carly, dass ich mitten in der Nacht allein im Bett liege, wenn das Telefon klingelt und mit seinem elektronischen Heulen die isolierte Stille meiner Wohnung wie eine Sirene durchdringt. Wenn man um zwei Uhr morgens angerufen wird, sind es im Allgemeinen keine guten Nachrichten. Mein erster Gedanke, als ich aus dem dichten, bittersüßen Nebel alkoholbedingten Schlafs allmählich auftauche, ist, dass es Natalie sein muss, meine psychotisch angehauchte Exfreundin, die anruft, um mich anzuschreien. Ich weiß nicht, welchen Schaden ich ihrer offensichtlich fragilen Psyche in acht Wochen überhaupt zufügen konnte, aber ihr letzter Therapeut hat sie überzeugt, dass sie noch immer schwerwiegende ungeklärte Probleme mit mir hat und dass es ihrer mentalen Wellness gut tut, mich anzurufen, bei Tag oder bei Nacht, wann immer sie auf den Gedanken verfallt, mich daran zu erinnern, was für ein unsensibler Idiot ich war. Die Anrufe begannen vor etwa vier Monaten und kommen inzwischen in
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