Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten
lächelnd.
»Prima«, sagte Mary Ann.
Edgar zupfte seine Mutter am Ärmel. »Darf Dad auch mit ins Fernsehen?«
Nach einer lastenden Pause sagte DeDe: »Dad?«
»Darf et?« fragte Anna, um ihrem Bruder Schützenhilfe zu geben.
DeDe schaute von einem Kind zum anderen und sagte dann ruhig: »Meint ihr Mr. Starr?«
Beide nickten und sahen sie mit großen Augen erwartungsvoll an. Mary Ann schloß sich ihnen an und wartete auf DeDes Antwort.
»Mein Schatz«, sagte DeDe, »Mr. Starr ist nach London zurückgeflogen. Wir werden ihn längere Zeit nicht sehen.«
»Warum?« fragte Anna.
»Na ja … weil er dort wohnt. Er hat nur Urlaub gemacht, als ihr ihn auf dem Schiff kennengelernt habt. Und sein Haus ist in London.«
»Sein Haus ist hübsch« ,sagte Anna.
DeDe starrte das kleine Mädchen an. »Was, mein Schatz?«
»Er hat Backhörnchen«, sagte Anna.
Edgar korrigierte sie. »Backenhörnchen. «
Anna streckte ihrem Bruder die Zunge raus. »Und Büffel«, fügte sie trotzig hinzu.
»Und eine riesig große Windmühle«, trumpfte Edgar auf.
»Die ist in Japan«, ergänzte Anna. »Und er hat eine Brücke in seinem Garten, die steigt ganz hoch in die Luft.«
»Genau«, sagte DeDe. Sie warf Mary Ann einen sarkastischen Blick zu. »Wer weiß, was der Dreckskerl ihnen alles erzählt hat.« Dann wandte sie sich wieder an die Kinder. »Na, ihr Käfer, gehen wir jetzt nach Hause?«
»Wohin?« fragte Edgar. Eine verdammt gute Frage, dachte Mary Ann.
»Nach Hause zu Gangie«, erwiderte DeDe.
Die Kinder sagten ja.
Sie verabschiedeten sich in der Parkgarage gleich neben dem L’Etoile. DeDe wartete auf ihren Mercedes. Mary Ann auf ihren Le Car.
»Sie waren ein Engel«, sagte DeDe und hörte sich dabei sehr nach reicher Dame von der Halbinsel an.
Mary Ann lächelte wehmütig. »Ich helf immer gern.«
»Genau«, sagte DeDe grinsend.
Der Mercedes wurde gebracht. DeDe hielt die Tür auf, bis die Kinder auf den Vordersitz geklettert waren. Als sie sich hinter das Lenkrad setzte, beugte Mary Ann sich zu ihr hinunter.
»Sie werden es mir nicht sagen, oder?«
»Was?« fragte DeDe.
»Sie wissen schon. Ob wir den richtigen Kerl erwischt haben.«
DeDe schüttelte den Kopf.
»Warum nicht? Weil es nicht der richtige war?«
DeDe lächelte. »Wenn er es nicht war, dann will ich nicht, daß Sie darunter leiden. Sie haben schon genug getan.«.
»Und wenn es doch der richtige war?«
DeDe zuckte mit den Schultern. »Dann möchte ich nicht, daß Sie in Versuchung geraten.«
»In Versuchung?«
»Sie wissen schon«, sagte DeDe. »Wegen der Story.«
»DeDe … ich bin Ihre Freundin. Ich würde Ihr Vertrauen nie …«
»Ich weiß. Und Sie würden es sich auch nie verzeihen. Wie sollten Sie auch? Sie sind Journalistin.«
»Bin ich das?«
DeDe griff nach ihrer Hand und drückte einen Kuß drauf. »Ja.«
»Danke«, sagte Mary Ann.
»Nicht der Rede wert«, sagte DeDe.
Es war beinahe Mittag, als Mary Ann sich über die Treppe zur Barbary Lane hochschleppte. Als sie ihren Schlüssel ins Schloß steckte, hörte sie Mrs. Madrigals unverwechselbare Schritte hinter sich.
»Meine Liebe … bist du das?«
»Ich bin’s«, sagte Mary Ann.
Die Augen der Vermieterin waren gerötet.
»Großer Gott«, sagte Mary Ann. »Ist was …?«
»Es tut mir leid«, sagte Mrs. Madrigal. »Ich muß dir was Unerfreuliches mitteilen.«
Glück gehabt!
Ein von Übelkeit fast nicht zu unterscheidendes Déjà-vu Gefühl überkam Mary Ann, als sie mit Mrs. Madrigal durch die Eingangshalle des St. Sebastian’s Hospital eilte.
Vor fünf Jahren war Michael hier wegen seines Guillain-Barré-Syndroms behandelt worden. Und hier war auch der unheimliche Blumenladen, in dem der Mann mit den Haarimplantaten für den kannibalistischen Kult in der Grace Cathedral Körperteile beiseite geschafft hatte.
Die makaberste Assoziation löste jedoch ein Inventarstück des Krankenhauses aus: ein altes Gemälde des von Pfeilen durchbohrten heiligen Sebastian, das an prominenter Stelle über dem Empfangstresen hing.
Mrs. Madrigal nahm Mary Ann am Arm und zog sie von dem Heiligen weg. »Komm, meine Liebe. Ich kenn den Weg. Es spottet wirklich jeder Beschreibung, wie katholisch es hier zugeht.«
Sie fuhren mit dem Lift in den zweiten Stock. Als sie ausstiegen, erwartete Jon sie bereits. Schon allein sein Anblick brachte den Anschein von Gefaßtheit, den Mary Ann sich auf der Fahrt zum Krankenhaus zugelegt hatte, zum Verschwinden.
Sie sank heulend in seine
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