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Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Titel: Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Barbara und Trippel Schaefer
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Biber an der Isar, direkt am Deutschen Museum, eine Burg errichtet, während sie im ländlichen Teil des Freistaats von zwei hauptberuflichen »Biber-Beratern« vor Zweibeinern geschützt werden müssen, die sich nicht mit dem fleißigen Baumeister abfinden wollen. Selbst Igel tippeln in der bayerischen Hauptstadt zehnmal häufiger durch die Gegend als auf dem Land.
    Bester Beleg für Reichholfs These ist Deutschlands größte Stadt Berlin. Hier leben zwischen Müggel- und Wannsee nicht nur 3,3 Millionen Zweibeiner, sondern auch 20000 verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Vom Großsäuger bis zur Alge ist alles dabei: 8000 Wildschweine haben die Stadtökologen gezählt, 3000 Steinmarder, 1600 Füchse und 100 Waschbärfamilien, außerdem Rehe, Wiesel, Feldhasen, Fischotter sowie zwei Drittel all jener Brutvogelarten, die zwischen Alpen und Nordsee überhaupt die Lüfte bevölkern.
    Wo sind all die Blumen hin?
    Die freie Landschaft hat da vergleichsweise wenig zu bieten – auch wenn die meisten Menschen es gerade andersherum vermuten würden. Lautet nicht ein beliebtes Argument der Landlüstigen, da draußen würden sie und ihre Kinder noch blühende Wiesen samt wilder Tiere zu Gesicht bekommen? Es ist eine Wunschvorstellung.
    Aber wie kann das sein? Was ist passiert, dass Städte, Großstädte zumal, für Tiere, egal, ob Säuger, Vögel oder Schmetterlinge, mindestens so attraktiv sind wie für Menschen? Und um sie herum immer mehr Arten vom Aussterben bedroht sind?
    Am besten cruisen wir mit Google Earth einmal übers Land, um Antworten zu finden. Aus der Vogelperspektive zeigt sich fast ein Drittel des Landes in Förstergrün – erst mal kein schlechtes Zeichen, könnte man denken. Von Romantikern als Wald bezeichnet, wachsen auf diesen Flächen allerdings überwiegend schnöde Forste: Monokulturen mit in Reih und Glied gepflanzten Fichten (im Süden des Landes) und Kiefern (im Norden). Eichendorff’sche Waldidylle, also ursprünglicher Naturwald aus Buchen und Eichen mit einem wilden Unterwuchs, bedecken nur etwa 40000 verstreute Hektar, die ungefähre Stadtfläche von Köln. Urwälder mit über hundertfünfzig Jahre alten knorrigen Bäumen, in deren Wurzeln und Rinden bedrohte Insektenarten wie etwa der Juchtenkäfer Unterschlupf finden, durften nur auf gut zwei Prozent der Waldfläche stehen bleiben. In diesen raren grünen Inseln liegen die Hotspots der Natur – nicht aber im Forst.
    Und erst recht nicht in der »Kulturlandschaft« drum herum. »Kulturlandschaft«, das klingt fast so hübsch wie »Landlust«, bedeutet aber Landwirtschaft mit Äckern, Flur und Feldern, die seit Jahrzehnten meist intensivst bewirtschaftet und bejagt werden. Auf gut der Hälfte der Felder wachsen Kartoffeln, Erdbeeren, verschiedene Getreidearten, Fressrüben, in den vergangenen Jahren auch zunehmend sogenannte Energiepflanzen wie Raps und Mais, die in großflächigen Monokulturen angebaut werden. Nur 5,6 Prozent der Ackerflächen wurden 2011 in Ökolandbauweise beackert. Und genau das ist das Problem.
    Es wäre nun einfach, die konventionellen Bauern zu schimpfen, weil sie diese »Kulturlandschaft« mit Unmengen von Herbiziden, Insektiziden, Fungiziden, Dünger und noch mehr Gülle bespritzen und dabei billigend in Kauf nehmen, dass deren Restbestände mit dem nächsten Regen in Bäche, Flüsse und ins Grundwasser gespült werden. Hinter den Bauern stehen Konsumenten, die all das nicht zu stören scheint, solange Kartoffeln und Gurken schön billig bleiben. Die europäische Agrarpolitik mit ihrem Subventionsirrsinn zementiert das Übel auch noch, ganz egal, ob die Natur Schaden nimmt.
    Statt Schmähungen also Fakten: Schon vor Jahrzehnten haben Umweltschützer, aber auch das Bundesamt für Naturschutz, das dem Umweltministerium untersteht, die intensive Landwirtschaft als Hauptverursacher des Artensterbens in Deutschland identifiziert (neben der Zersiedelung und Zersplitterung der Landschaft – s. Kapitel 9). Der Dauereinsatz von Gülle und Chemie spielt dabei eine ebenso große Rolle wie der Trend, das Vieh nicht mehr auf extensiven Weiden zu halten, sondern in engen Stallungen.
    Längst wächst zwischen konventionell bewirtschafteten Äckern und Feldern, wenn überhaupt, nur Grünzeug, das hohe Stickstoffwerte verträgt, während die weitaus größere Anzahl der auf magere, nährstoffarme Verhältnisse eingestellten Arten verschwunden ist. Agrarökologen der Göttinger Universität robbten mit Kollegen aus acht europäischen

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