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Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Titel: Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Barbara und Trippel Schaefer
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Scheinwerfern und verputzte Essensreste aus Mc-Donald’s-Pappschachteln im Mülleimer. Warum auch in Feld, Wald und Flur mühsam Nahrung suchen, wenn es bequemer geht?
    Fragt man den Tierfotografen Florian Möllers (s. Interview), der die meisten Berliner Spezies schon vor der Kamera hatte, wo er am erfolgreichsten auf Fotosafari geht, sagt er, ohne nachzudenken: innerstädtische Friedhöfe. Sie bieten zwei Vorteile gegenüber Parks oder Gärten: 1. feste Öffnungszeiten. 2. strenge Verhaltensregeln. Der erste Punkt macht die »Störungszeiten« der menschlichen Besucher kalkulierbar. »Fast alle Säugetiere und Vögel können ihr Verhalten auf diese Zeitmuster einstellen«, hat Möller beobachtet. »Gejagt, gebadet oder gefressen wird dort am entspanntesten, nachdem die Tore für Zweibeiner verschlossen sind.«
    Der zweite bedeutet vor allem: Hunde sind verboten und Nester, Bauten oder Schlafplätze somit vor ihnen sicher. Auf Friedhöfen wird zudem nicht gerannt oder gelärmt, keiner legt sich auf Wiesen oder große Gemeinschaftsgräber, und die Gärtner freuen sich meist über lebendige Bewohner, die in Mausoleen, alten Bäumen oder Mauerritzen Brutplätze, Tagesverstecke oder Schlafnischen bauen. So ergab eine Kartierung auf Berliner Friedhöfen, dass mehr als sechzig Brutvogelarten sie als Brutheimat schätzen. Auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg, einem Parkfriedhof mit altem Baumbestand, hat Möllers sogar ein Uhupärchen entdeckt. Seine Jungen verlassen im Alter von wenigen Wochen das Nest und klettern auf großen Grabanlagen umher, quasi unbemerkt von menschlichen Besuchern, da ihr weiß-braun gesprenkeltes Jugendgefieder zwischen den bemoosten Grabsteinen mit den fleckigen Flechten perfekte Tarnung bietet.
    Die Rettung der Wanderfalken
    Wanderfalken, die schnellsten Greifvögel der Welt, haben den Städten gar das Überleben ihrer Art zu verdanken. Ende der 1970er Jahre waren sie in vielen Ländern Mitteleuropas bereits ausgestorben, in den zwei deutschen Staaten BRD und DDR flogen nur noch etwa vierzig Brutpaare über den Himmel. Schuld daran trug das Insektizid DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan), das von Bauern und Förstern bedenkenlos über Felder und Forste gespritzt wurde. Das Gift geriet über den Nahrungskreislauf in das Körperfett von Tauben oder Staren, die wiederum von Wanderfalken verspeist wurden und deren Kalkstoffwechsel für die Eierproduktion schädigte. Ihre Schalen wurden immer dünner und zerbrachen, bevor der Nachwuchs bereit war zu schlüpfen.
    Umso überraschter waren Ostberliner Vogelfreunde, als sie im Frühjahr 1986 ausgerechnet im Herzen des damaligen Ostberlins, im Turm der Marienkirche am Alexanderplatz, ein Falkenpärchen entdeckten. Die beiden knapp einen halben Meter großen Raubvögel hatten in einem verlassenen Nebelkrähennest Zuflucht gefunden – und wurden fortan wie ein Staatsschatz umkümmert. Vier Vogelschützer richteten dem jungen Vogelpaar ein geschütztes Plätzchen im Kirchturm ein, gaben Nisthilfe, bewachten das Nest, entnahmen die fragilen Eier, um sie künstlich auszubrüten. Ohne Erfolg.
    Adoptivbabys aus einer Hamburger Zuchtstation waren die letzte Hoffnung. Doch um die Vogelbabys über die deutsch-deutsche Grenze zu bringen, brauchte es einen offiziellen Einführungsantrag – ein hochbürokratischer Akt ohne Erfolgsaussicht. Stattdessen machte sich ein Hamburger Falkner, kaum waren dort Küken geschlüpft, als Tagesbesucher getarnt, in Richtung Osten auf. Die Tiere versteckte er in einem Picknickkorb und übergab sie am Alexanderplatz an seine ostdeutschen Kollegen. Die schoben sie dem kinderlosen Wanderfalkenpaar unter. Wenige Wochen später unternahm die Familie ihren ersten gemeinsamen Ausflug über die Stadt.
    Auch Jahre später gehört der Alexanderplatz zu einem beliebten Lebensraum für die Greifvögel, denn hier, weit weg von den DDT -verseuchten Landstrichen, finden sie dank der kampfunerprobten Kleinvögel reichlich Nahrung. Deutschlandweit zieht ein Drittel der Wanderfalkenpaare Kirchen, Kraftwerkstürme oder Hochhäuser den natürlichen Horsten auf dem Land vor, in Nordrhein-Westfalen sogar achtzig Prozent.
    Von Schlaufüchsen, Wildschweinen und wütenden Mardern
    Auch Füchse haben sich in den Großstädten inzwischen gemütlich eingerichtet und mehr und mehr die Scheu vor Menschen verloren, denn Städter haben in der Regel nichts gegen die Tiere mit dem buschigen Schwanz, freuen sich gar, wenn einer elegant an ihnen vorbeischnürt.

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