Stahlstiche
nicht ganz so sterblich. Diese sind so unendlich vervielfältigbar, das hat die bildende Kunst nicht. Also in der Hinsicht muß ich, wenn ich ein bißchen philosophisch denke, mich längst damit abfinden, daß die Zerstörbarkeit der bildenden Kunst innewohnt. Obwohl die ganz großen Kulturen nur aus der bildenden Kunst rekonstruiert werden, müssen wir vielleicht diese Zerstörbarkeit in Kauf nehmen. Und wenn der Erdball ohnehin kaputtgehen wird, na dann kann ruhig meine Kunst auch kaputtgehen, da bin ich nicht so sentimental.
FJR : Das ist mir klar. Ich meinte etwas anderes. Gibt es da manchmal – also, ich sage jetzt mal hochtrabend: Melancholie-Hemmungen, eine Skepsis, die dir sozusagen die Hände bindet?
HRDLICKA : Ich bin Maniker, ich bin ein manischer Arbeiter, und ich denke in Stunden, in Tagen, wie ich etwas machen kann. Wahrscheinlich fehlt mir noch die tiefere Einsicht, aber die wird schon kommen, wenn die Knochen nachlassen oder die Muskeln nachlassen.
FJR : Gut, das ist der physische Vorgang.
HRDLICKA : Genau, aber momentan will ich eher was machen. Ich kann das nicht einfach beantworten.
FJR : Wenn wir gesagt haben «Prediger», dann muß man auch das Wort sagen vom «Prediger in der Wüste». Also – wenn der Prediger das Gefühl hat, ach Gott, es hat gar keinen Sinn mehr zu predigen, und mein Wort, in deinem Fall also deine Figura, wird nicht mehr gehört, nicht mehr wahrgenommen, wozu eigentlich noch – was dann? Wir kennen das von einem deutschen Schriftsteller, Wolfgang Hildesheimer, der das wirklich nicht nur
gesagt
hat, sondern auch
tut.
Er schreibt nicht mehr. Er sagt: Ich kann nicht mehr
vis-à-vis
dieser Aussichten, es ist ohnehin vergebens. Deshalb diese letzte Frage: Ist das Element «Vergeblichkeit» für dich ein Element? Oder meißelst du das weg?
HRDLICKA : Das meißel ich eher weg. Denn da ich sowieso an die allgemeine Vergänglichkeit glaube, bin ich so speziell von diesem Problem überhaupt nicht berührt. Schau, man kann ja nur auf Zeit schaffen, das heißt auf Zeit, auch wenn ich tot bin. Es gibt ja große Geister, die schon lange tot sind und immer noch eine Wirkung haben. Natürlich kann ich sagen, auch diese Wirkung ist zeitlich begrenzt. Ich denke nicht über die Begrenztheit meiner Wirkung nach, ich weiß nur, daß bildende Kunst eine Langzeitwirkung hat. Viel mehr, als Tagesereignisse oder viele andere Medien schaffen können. So eine lange Wirkung hat die bildende Kunst, aber irgendwann einmal hört auch diese Wirkung auf, und das regt mich weiter nicht auf. Dazu bin ich ein viel zu besessener Macher, vielleicht ist es auch ein schlimmes Wort, wenn ich das von mir selber sag. Aber die Besessenheit, etwas zu tun oder die Sache in den Griff zu bekommen – oder zu reflektieren oder zu behaupten oder zu widerlegen oder sich in Polemik zu verstricken –, das hält mich lebendig. Tod und Unsterblichkeit schließen sich ja nicht aus. Was ich das Unsterbliche an Pasolini finde, ist das Abfinden mit der Vergänglichkeit; und er hat ein schreckliches Ende genommen, und das ist das Schöne an ihm.
Abschrift eines Fernsehinterviews aus der Reihe «Dialog», ausgestrahlt vom «Sender Freies Berlin« ( SFB ) am 10 . September 1985
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Personenregister
A
Abusch, Alexander 83
Adami, Valerio 372
Adenauer, Konrad 48 , 66 – 68 , 82 , 96 , 116 , 138
Adorno, Theodor W. 72 , 114 , 178 , 306
Agnelli, Giovanni 369
Ahlers, Conrad 25
Alberti, Rafael 365
Alembert, Jean-Baptiste le Rond d’ 255
Amado, Jorge 49 , 51
Aman, Marie Rose 163
Améry, Jean 40
Anders, Günther 439
Andersch, Alfred 96
Apitz, Bruno 99
Apollinaire, Guillaume 205
Aragon, Louis 48 , 363 , 365
Ardenne, Manfred von 67 , 75
Arendt, Erich 56 , 58 – 59
Arendt, Hannah 334
Arendt, Katja 59
Aristoteles 173
Aron, Raymond 253
Ashkenazy, Vladimir Davidovich 62
Augstein, Rudolf 100 , 370
Auriol, Vincent 269
----
B
Baader, Andreas 21 , 25
Babel, Isaac 116 , 118
Bach, Johann Sebastian 339
Bacon, Francis 126 , 129
Baez, Joan 372
Bahr, Egon 75
Baker, Josephine 327
Baldwin, James 11 , 129 , 135 , 368 , 388 , 398 – 399 , 407
Balestrini, Nanni 368
Balzac, Honoré de 115 , 334 , 341 , 349
Banholzer, Paula (Bie) 163 – 164 , 166 , 195 , 198 , 201
Barenboim, Daniel 373
Barlach, Ernst 90 – 91 , 177
Battle, Kathleen 397
Baudelaire, Charles 202 , 257
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