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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Ich habe mich nie als Antikommunist betätigt, ganz gleich, ob ich 1956 aus der Partei ausgetreten bin oder nicht, das hat damit gar nichts zu tun. Wirkliches Interesse gibt es in der DDR . Ich habe jetzt in Ostberlin ausgestellt, und da war schon ein sehr interessiertes Publikum da. Nicht ein offizielles, ich wurde dort überhaupt nicht offiziell vorgestellt, die Ausstellung hat die Akademie der Künste organisiert. Man hat aber darüber diskutiert. Eine große Diskussion mit vor allem jungen Leuten. Ich glaube, daß die Schwarzweiß-Malerei, hier sozialistischer Realismus, dort Kunst des freien Westens, Unsinn ist. In diese blöde Polemik bin ich nie eingestiegen, denn das ist genauso Konfrontationskunst dort im Westen wie im Osten.
    FJR : Kann ein Mann wie Fritz Cremer, der schließlich – ich will nicht sagen: künstlerisch – in deiner Nähe siedelt, aber immerhin auch viele große politische Denkmale gemacht hat und zum Beispiel die Totenmaske von Bertolt Brecht abgenommen hat, sich mit deiner Arbeit auseinandersetzen? Hast du mit ihm darüber gesprochen?
    HRDLICKA : Ich hab ihm sogar eine Laudatio gehalten. Ich glaub, daß der Cremer etwas sehr Wichtiges gemacht hat. Er hat nach dem Krieg nicht das gemacht, was Grass jetzt mit seiner Polemik gegen die abstrakte Kunst anklagt, sondern er hat versucht, so etwas wie eine antifaschistische Ästhetik zu entwickeln. Das finde ich sehr verdienstvoll. Ganz gleich, wie sich Cremer selber sieht, aber ich hab das immer so gesehen und diese Vogel-Strauß-Politik, den Kopf in den Sand zu stecken nach ’ 45 , das hat Cremer nicht mitgemacht. Ganz gleich, wie es ihm gelungen ist oder nicht gelungen ist. In der Hinsicht ist er ein Avantgardist der antifaschistischen Ästhetik.
    FJR : Nun hast du mal vom Warenhaus des freien Westens oder dem Kunstpavillon des freien Westens geredet. Was für eine merkwürdige Situation ist das eigentlich für dich, sozusagen auf den Markt zu gehen und etwa bestimmte Arbeiten in den Katakomben von Sammlern, auch Museen, verschwinden zu sehen. In dem Moment ist es ja keine öffentliche Kunst mehr – egal ob Graphik, Bild, Skulptur.
    HRDLICKA : Eigentlich wäre es mir lieb, daß nur solche Kunst dort verschwindet, in den Katakomben der Privatsammler, wie du sagst, die eine vervielfältigte ist. Lithos zum Beispiel. Ich hab mich auch eines Tags entschlossen, von meinen Skulpturen – ich mach ja fast alles in Stein – Bronzegüsse zu machen, weil die Gefahr, daß die Dinge irgendwo abgestellt werden können, also verschwinden, groß ist. Jedes Buch ist eine herrliche Sache. Man kann noch so viele Bücher verbrennen, man kann nicht alle Bücher verbrennen. Bildende Kunst ist hier viel anfälliger, das Objekt ist zugleich die Einmaligkeit, obwohl ich mich also inzwischen ausgesöhnt hab mit der Zerstörung der Einmaligkeit. Das nehme ich in Kauf. Die Menschen verschwinden auch irgendwo. Es ist wohl so, daß ich den Privatsammler immer ein wenig, wie soll man sagen: verächtlich gemacht habe gegenüber dem Liebhaber, der sich was an die Wand hängt und glaubt, es muß mit’m Vorhang in Einklang stehen. Das habe ich schon immer gemacht. Nur bin ich inzwischen draufgekommen: ich muß ja meine Kunst auch irgendwo verkaufen. Verkaufen, finanzieren. Denn die großen Projekte, das kann man ja offen sagen, die großen Projekte finanziere ich selber, das heißt, ich finanziere meine Existenz und das, was die Sachen kosten, nämlich den Rohwert. Ich zahle unter Umständen drauf, wie zum Beispiel jetzt in Hamburg – das will ich auch offen sagen; da habe ich schon fast mehr Geld ausgegeben, als ich eingenommen habe. Weil die Dinge eben viel Geld kosten. Den Ehrgeiz, meine Skulpturen in der Öffentlichkeit zu sehen, den zahlen zum Teil die Privatsammler, das muß ich wirklich zugeben. Daher also eine gewisse Aussöhnung mit den Leuten, die ich bisher immer attackiert habe. Aber ich bin nach wie vor kein großer Hit am Kunstmarkt, davon bin ich überzeugt.
    FJR : Was ist das denn für ein Gefühl für dich, wenn du dich – um mal in der Metapher des Fleisches zu bleiben – von so einem «Kind» trennen mußt? Löst das etwas bei dir aus, wenn jemand aus Lateinamerika eine große Skulptur von dir kauft – und weg ist sie, bei einem Pfeffer- oder Zucker- oder Kaffeemillionär in Caracas. Ist das für dich ein Vorgang, oder ist es dir eigentlich egal in dem Moment, wo das Kunstwerk fertig ist? Ist es für dich dann auch fertig verabschiedet, ganz

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