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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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Augenblick war sein ganzer Wunsch, irgendwann einmal genauso zu sein wie Musk und ebenso souverän über Leben und Tod zu entscheiden. Dies hier war kein sinnloses Schlachten, es war Kampf in höchster Vollendung, die Kunst des Tötens und Sterbens.
    Die anderen sahen die Sache etwas nüchterner. Haller ordnete die Karten auf dem Tisch, Musk verlas den Angriffsbefehl. »Zuerst die offizielle Version: Der Feind hält mit starken Kräften Teile des Werkgeländes Roter Oktober, mit Halle vier als Zentrum seiner Verteidigung. Mit der Wegnahme dieser Halle fällt Stalingrad.« Musk lächelte. »Da ist wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens … Weiter: Pionierbataillon 336 nimmt Halle vier und stößt zur Wolga vor. Erstes Angriffsziel: Südostseite Halle vier. Es werden eingesetzt: Kompanie Pflüger, Kompanie Haller, Kompanie Herbig, jetzt von Wetzland, dahinter Kompanie Wölk von der 305. Trennungslinie zwischen von Wetzland und Pflüger auf der einen, Haller auf der anderen Seite, südwestliche Hallenwand. Zwei-Zentimeter-Flakbatterie unterstützt den Angriff durch Niederkämpfen der Scharfschützen im Dachgestänge der Halle aus Stellungen in Gegend Leiterhaus. Haller, arrangieren Sie das.«
    Haller nickte und schrieb eifrig mit.
    Musks Bleistift bohrte sich in ein kleines Rechteck. »Bereitstellung muss bis drei Uhr eingenommen werden. Meldung unter Martin. Leuchtenzeichen weiß – hier sind wir – wird alle fünf Minuten gegeben. Rot: Gegenangriff. Grün: Verstärkung erbeten. Truppenverbandsplatz: Haus, fünfzig Meter nordwestlich Halle vier. Kampfgruppengefechtsstand: zunächst hier in Halle eins, nach Erreichen des ersten Angriffsziels Halle vier. Nachrichtenstaffel legt Draht zu erster und zweiter Kompanie.« Er sah auf. »So weit, so gut. Aber wir haben uns noch etwas Besseres ausgedacht.« Er wandte sich an seinen neuen Leutnant. »Sie waren ja bereits Zugführer, Leutnant von Wetzland, nicht wahr?«
    »Jawohl, Herr Hauptmann.«
    Musk wies auf die Karte. »Bevor Sie noch mal mit der Eisenbahn fahren dürfen, müssen Sie erst mal die ganzen Knallbonbons hier wegräumen. Wölk wird Ihnen einen Mann mitgeben, der das Gelände kennt.«
    Hans warf einen Blick auf die Karte, folgte Musks Finger, begann zu verstehen. Selbst Wölk, der sich nicht gerade darüber gefreut hatte, dass er mit seinem junge n Gemüse kurzerhand zum Pioniertrupp ernannt worden war, nickte anerkennend. Wenigstens wurden sie nicht wieder in einem dieser sinnlosen Frontalangriffe verheizt.
    Musk rollte die Karte zusammen. Er vermittelte jedem im Raum die Gewissheit, dass sein Plan funktionieren würde. »Haller, geben Sie durch: keine Artillerievorbereitung. Wir wollen die Russen nicht zu früh wecken.« Er fixierte Hans, dann seine Uhr. »Bis um drei müssen Sie fertig sein, Herr von Wetzland. Uhrenvergleich: zwei Uhr vier. Wegtreten.«

 
     
     
     
     
     
    10
     
     
    D er alte Forster war der Einzige, der lange genug überlebt hatte, um das Vorgelände ausreichend zu kennen. Die Ehre, dass er den jungen Leutnant und seine Leute führen sollte, hatte er mit einem gemurmelten Fluch quittiert.
    Hans kroch hinter ihm durch das mit Granattrichtern übersäte Niemandsland. Es war das erste Stoßtruppunternehmen seines Lebens. Beschienen von kleineren Bränden ragten die ausgeglühten Skelette einiger Häuser in den qualmenden Himmel. Alles war wie in schwarze Watte gehüllt. Die Silhouette am Horizont wirkte, als hätten Riesen darin getobt.
    Sein Herz schlug hart gegen die Rippen. Nun, da äußerste Kaltblütigkeit dringend geboten gewesen wäre, machten ihm heftige Empfindungen zu schaffen. Er war froh, dass es stockdunkel war, sodass die anderen das unkontrollierte Zittern seiner Hände, an das er sich merkwürdig schnell gewöhnt hatte, nicht bemerkten. Er hatte Angst, Todesangst, die ihn zeitweilig lähmte, um ihn dann wieder in einen Gefühlsrausch von unbekannter Intensität zu versetzen. Was mit ihm geschah, war entsetzlich und faszinierend zugleich.
    Hinter dem Leutnant kroch en Rollo, Fritz und der Pioniergefreite Feldmann. Sie hofften, dass ihre Minensuchgeräte funktionierten und dass die Russen keine Holzminen gelegt hatten, auf die ihre Geräte nicht ansprachen. Fritz ertappte sich bei dem Gedanken, wie lange es wohl dauern würde, die Uniform wieder sauber zu kriegen. Vielleicht würde Rollo sie für einen Teilerlass seiner Skatschulden mitwaschen. Vielleicht aber machte er sich diese Gedanken auch umsonst, weil sie von

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