Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben
Kompanie.«
Hans von Wetzland hob ers chöpft die Hand zum Hitlergruß.
»Leutnant von We tzland, Sturmpionierbataillon 125.«
»Freut mich, Herr Leutnant, dass Sie es noch rechtzeitig geschafft haben. Nur mit dem müden Haufen von der 305ten wär’s ’n bisschen schwierig geworden. Na, dann wollen wir mal gemeinsam dem Russen in der Wolga das Schwimmen beibringen. Zigarette?«
Von Wetzland, nach den Ereignis sen der letzten Tage weniger optimistisch gestimmt, lehnte dankend ab und bat, seinem zukünftigen Vorgesetzten, Hauptmann Musk, vorgestellt zu werden.
»Jawohl, Herr Leutnant. Ist unser Häuptling, prima Kerl und …« Pflüger runzelte etwas verwirrt die Stirn und blickte auf die wenigen Männer hinter von Wetzland. »Entschuldigen Sie, Herr Leutnant, aber sind das alle?«
Der Leutnant nickte. Rollo, der Pflüger nicht unsympathisch fand, fühlte sich zu einer Erklärung bemüßigt: »Der Rest liegt hundert Kilometer vor Morosowsk. Die roten Säue haben die Gleise gesprengt.«
»Scheiße«, schimpfte Pflüger. »Da kriegt man nur einen lumpigen Zug Verstärkung, und dann fehlt noch gleich die Hälfte.« Nachdenklich rieb er sich das frisch rasierte Kinn. »Erzählt das hier lieber nicht rum. Die von der 305ten haben sowieso schon ’ne feuchte Kimme.«
Leutnant von Wetzland drang e rneut darauf, endlich zum Hauptmann gebracht zu werden. Pflüger versprach eine Überraschung. Auf Zehenspitzen schlich er zu einer Zeltbahn, die als Vorhang diente, schob sie ein Stück beiseite und präsentierte den Neuankömmlingen stolz den schlafenden Hauptmann, von dem man momentan nur einen dunklen, von Silberfäden durchzogenen Haarschopf sehen konnte; der Rest lag unter einer Decke.
»Was sagt ihr dazu? In drei Stunden geht’s los, und er pennt! Dem seine Ruhe möcht ich haben.« P flüger führte sie zurück zu seinem Trupp. »Werden wohl eure ersten Russen?«
Rollo wollte etwas sagen, schwieg jedoch unter dem Blick seines Leutnants.
Pflüger führte die Schweigsamkeit der Neuen auf den Verlust ihrer Kameraden zurück. Er entschloss sich zu einigen Trostworten, was bei ihm nur selten vorkam. »Wirklich scheiße mit euren Kameraden, aber wir werden es dem Iwan heimzahlen.«
Er steckte sich eine neue Zigarette an, Sonderzuteilung. Rollo und Fritz nahmen dankbar aus seiner Packung. Pflüger berichtete von vergangenen Heldentaten. »In Woronesch haben wir dem Iwan mächtig eingeheizt. Verfluchte Stad t! Dagegen wird das hier ’n Spaziergang. Sind nur noch knapp vierhundert Meter bis zur Wolga. Neun Zehntel der Stadt gehören sowieso schon uns.«
»Und die haben wir nicht mit ’m Maul erobert.«
Rollo warf dem alten Landser, der das gesagt hatte, einen abschätzigen Blick zu. Mit der Intuition des erfahrenen Soldaten hatte er sofort erkannt, wo hier die Fronten verliefen und wer der Stärkere war. Er schnippte seine Asche lässig über Opa Forster weg, nahm einen Schluck aus seinem Flachmann und bot ihn Pflüger an, um die neue Kameradschaft zu besiegeln. Pflüger nahm einen beleidigend kleinen Schluck, drehte sich um und stolzierte davon. Rollo kniff die Augen zusammen, sah ihm nach.
»Und wann gibt’s die Knallbonbons? Besorg mir ’n paar dicke Eier! Wie steht’s mit ’nem Flammenwerfer?«
»Du kriegst schon, was du brauchst«, erwiderte Pflüger, ohne den Kopf zu wenden.
Unmutig stellte Rollo fest, dass sich Fritz hinter seinem Rücken ausgerechnet zu dem alten Forster gesetzt hatte. Wenn’s nur endlich losgehen würde! Er merkte, dass er plötzlich an seine Alte dachte. Ein ungutes Zeichen. Das letzte Mal, als er vor einem Angriff an sie gedacht hatte, hatte er sich prompt einen Splitter im Oberschenkel eingefangen. Der Urlaub war auch nicht das Wahre gewesen. Sie hatte immer nur das Eine gewollt, und das auf die ewig gleiche Tour. Er hatte ja nichts dagegen, aber man konnte gelegentlich auch mal was anderes machen. Am Schluss war er sogar lieber mit seinem dreijährigen Sohn spazieren gegangen. Siegfried. Zuerst der Sieg, dann der Frieden. Hoffentlich kam der Frieden nicht zu früh. Rollo wusste nicht so recht, er fühlte sich irgendwie noch nicht reif für den Frieden. Nicht reif für einen Zwölfstundentag mit Bierpause am Wochenende. Im Grunde wa r man im Frieden noch beschissener dran als im Krieg. Jedenfalls solange es einen nicht erwischte.
Etwas verloren wechselte er das Standbein.
Hans von Wetzland hatte sich neben einem jungen Pionier niedergelassen. Er hieß Feldmann und gehörte
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