Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
Vom Netzwerk:
lauter bringt, knallt’s«, schimpfte Pflüger.
    Während die Melder dem Leutnant drei Gewehre mit Zielfernrohr überreichten, die er auf einem Block quittieren musste, stolzierte der Pressemann mit umgehängter Kamera in den Nebenraum.
    »Tagchen, hier kommt das Vögelchen …«
    Weiter kam er nicht. Wölk riss ihn unsanft zu Boden. »Rübe runter! Wir haben keine Lust, dein Hirn von der Wand zu kratzen.«
    »Selbst wenn’s noch so klein ist«, ergänzte Fritz.
    Der Reporter klopfte sich die Jacke ab. »Mensch, seid ihr nervös!«
    Rollo begutachtete mit einem schnellen Handgriff die Fliegeruhr des Reporters. »Wenn du mir deine Uhr gibst, schieß ich ’ne Salve rüber zum Iwan.«
    Der Leutnant verbot es. Die Munition war zu knapp für solche Spielereien. Nicht mal Sprengstoff war mitgekommen. Drei Gewehre mit Zielfernrohr waren alles, was man ihnen für die Schlussoffensive zubilligte. Er verteilte die Waffen auf die drei besten Schützen. Das waren Gross, Pflüger und er selbst.
    »Wenn Sie einen Russen für ein brauchbares Bild erschießen, können Sie meine Uhr haben, He rr Leutnant«, schlug ihm der Reporter vor.
    »Die Sonne steht falsch«, entgegnete Hans knapp. Hatten die beim Stab nichts Besseres zu tun, als Pressefritzen nach vorn zu schicken? Er drehte dem Reporter das Ziffernblatt der Uhr auf den Innenarm. »Wenn Sie ’n paar Granatsplitter abkriegen, soll doch wenigstens Ihre feine Uhr heil bleiben.«
    Er kroch weg.
    Pflüger hatte mitgehört und stieß den Reporter vertraulich in die Seite. »Für die Uhr knall ich dir ’n Iwan ab.«
    »Jetzt gleich?«
    »Klar«, versprach Pflüger. »Wölk, komm her.«
    Während er mit Wölk und seinem neuen Mordwerkzeug in Stellung ging, blätterte Fritz in den Zeitschriften.
    »Unser Heer, da lacht das patriotische Herz! Ratschläge zum Winterkampf! Kinder, die sehn uns noch länger hier. Hier steht’s: Aktuelle Ratschläge für die Winterkriegsführung. Wir bauen uns ein Schneeloch, und mit ’m Völkischen Beobachter ham wir’s immer warm. In mehreren Lagen Zeitungspapier als Decke und Unterwäsche benutzen! Bubi schneidet mir ’ne Unterhose, vorne Adolf, hinten Herrmann.«
    Die erschöpften Männer lachten.
    Herbert, der Melder, hatte angeblich am Telefon ein Stabsgespräch mitgehört und versuchte, ihnen mit Steinchen die aktuelle Lage auf dem Fußboden zu erklären.
    Pflüger hatte sich einige Meter hinter einer Fensteröffnung im Nebenraum postiert. So lag er im Schlagschatten der Wand, das Gewehr an der Schulter. Der Reporter lag neben ihm mit einem extra langen Objektiv auf der Lauer. Gewehr und Optik waren auf eine Fensterhöhle halb links gerichtet. Dort hatte Pflüger angeblich schon mehrmals Gestalten mit Fellmützen gesichtet.
    Wölk saß dicht an der Wand unterhalb des Fensters. Neben ihm lag eine Holzattrappe. Über einen Spiegel beobachtete er die gegnerische Front.
    »Kein Schwanz zu sehen.«
    »Geduld ist das Wichtigste. Zeig ihnen den Emil noch mal«, sagte Pflüger.
    Wölk schob die Holzattrappe h och. Nichts tat sich. »Damit gewinnen wir den Krieg auch nicht«, sagte er.
    Der Reporter gähnte.
    »Na los, beweg sie ’n bisschen!«, befahl Pflüger nervös.
    Wölk ruckelte gelangweilt an der Attrappe. »Was für ’n Aufstand wegen ’nem einzigen Russen!« Er rümpfte die Nase. »Außerdem stinkt’s hier wie die Hölle. Fast so schlimm wie Hundescheiße. Hoffentlich hat sich meine Alte n icht wieder ’n Köter in die Wohnung geholt, während ich weg bin.«
    »Jetzt halt’s Maul, ich muss aufpassen«, zischte Pflüger, die Wange an den Gewehrkolben gepresst.
    Im nächsten Moment durchschlug eine Kugel die Holzattrappe und entriss sie Wölks Hand. Pflüger feuerte zurück, stieß einen Jubelschrei aus.
    »Ich hab ihn, ich hab ihn erwischt! Hast es drauf?«, schrie er den verdatterten Fotografen an.
    Wölk hob grinsend den Kopf aus der Deckung. Plötzlich stand mitten auf seiner Stirn ein kleines rotes Loch, Hinterkopf und Gehirnmasse flogen Pflüger ins Gesicht. Gemeinsam stürzten sie zu Boden.
    Pflüger schrie und begann bl ind um sich zu schlagen. Der Reporter wich entsetzt zurück. Die Wachen an der Tür wollten Pflüger zu Hilfe eilen.
    »Auf Posten bleiben!«, schrie d er Leutnant. »Bringt Pflüger rüber!«, befahl er Rollo und Gross mit bleichem Gesicht.
    Die beiden packten den schreiend en Pflüger, der sich mit Berserkerkräften wehrte, bis ihm Rollo die Faust ins Gesicht drosch. Der Schlag schien Pflüger alle Kraft zu

Weitere Kostenlose Bücher