S.T.A.L.K.E.R. 04 - Zone der Verdammten
Vorwärtsrolle machte, wurde mir klar, dass ich mich geirrt hatte. Anstelle der Knarre hielt ich lediglich meinen Rucksack in den Händen.
Wie gesagt, hatte ich mich nachts gedreht und daher stand meine Waffe am anderen Ende. Zu blöd. Mein Ex-Team hatte aber seine Gewehre offensichtlich griffbereit, denn das Blitzgewitter einer AK riss jäh die Dunkelheit auf — allerdings ohne große Wirkung zu erzielen. Dafür konnte ich im Aufblitzen das Rechteck der Ausgangstür ausmachen. Ich rannte darauf zu und schleppte den Rucksack mit.Unbewaffnet hatte ich gegen drei Schießeisen in etwa genauso große Chancen wie ein Stier im Schlachthof.
„Nicht schießen!", rief Sauerkopp vom Boden aus, während jemand — offensichtlich Schrapnell — versuchte, einer Ladehemmung Herr zu werden, was ihm schließlich auch gelang. „Du wirst uns noch alle umbringen!".
Ich rollte mich aus dem Keller und rannte in die fahle Morgendämmerung. Die Kugeln der Automatik zerhackten rechts und links von mir Blätter und Äste.
Erst in der Nähe der Landstraße gelang es mir, die Verfolger etwas abzuhängen. Ich mied die Straße, da ich dort von allen Seiten gut zusehen gewesen wäre. Es war sowieso die beste Taktik, die Landstraße weitläufig zu umgehen, besonders an den Stellen, wo sie durch einen Tunnel oder unter einer Brücke hindurchführte. Dort lauerten Anomalien, die im Halbdunkel kaum zu erkennen waren. Ziemlich viel Frischfleisch ließ dort immer wieder sein Leben, und das schreckte mich ab.
Was die Anomalien auf offenem Terrain anging, erkannte ich sie ohne große Schwierigkeiten schon von Weitem und machte einen großen Bogen um sie. Fleischwölfe versprühten winzige lilafarbene Blitze und warfen schwarze Schatten. Gravitationsschimmel trat als auffällige Kreise im feuchten Lehm auf. Brennpunkte konnte man anhand von langen gelben Streifen in Gras und Gebüsch ausmachen.Die gefährlichen Rosthaare hingen von den untersten Baumästen herab und wiegten sich im Wind, so als würden sie auf ihre Beute warten.
Ich schickte ein Stoßgebet zum Dunklen Stalker, dass ich nicht in irgendeinen unsichtbaren Mist trat und auch das Schlamassel erkennen würde, in das noch nicht einmal ein Blinder Hund seine Nase stecken würde. Stellen etwa zwischen geladenen Erdhügeln, wo man einen heftigen Stromschlag bekam. Oder Pfützen, deren Boden voller ekelhafter Sülze war. Oder die riesigen Brennnesseln ...
Ich überquerte vorsichtig eine lange Asphaltstraße, die in Richtung der Hügel führte, und lief im Schutz eines Waldstücks zum Bahndamm, wo ich mich verschanzte. Der Bahndamm in der Mülldeponie verlief rechtwinklig zur Asphaltstraße, und genau hier, wo ich gerade war, kreuzten sich beide Linien.
Ich musste nur noch die Gleise überqueren und dort war schon der dichte Wald, in dem ich meine Verfolger leicht abschütteln konnte. Allerdings lag zwischen den Gleisen und dem Wald ein Streifen offenes Gelände, gut dreihundert Meter breit. An ihn schlossen die benachbarten Hügel nahtlos an, und in der westlichen Niederung befand sich eine weitläufige Baugrube.
Den Rückzug auf freiem Feld anzutreten grenzte an Selbstmord. Vor allem jetzt, da die Bastarde meinen Aufenthaltsort ausgemacht hatten und der Himmel zusehends aufhellte.
Den Rückzug über die Baugrube zu versuchen war wahrscheinlich auch keine gute Idee. Vor allem, weil ich dort einen frischen Fleck radioaktiven Niederschlags entdeckte.
Hier auszuharren schien mir allerdings die sicherste Fahrkarte in einen schnellen Tod. Insbesondere, weil der Köter in diesem Moment über die Gleise geradewegs auf mich zu hechelte und mit giftigem Speichel um sich spritzte, während der Schütze auf dem Hügel mir keine Gelegenheit gab, auch nur den Kopf zu heben.
Um einen einzelnen Blinden Hund zu verscheuchen, genügte eine Pistole. Aber noch nicht einmal die hatte ich zur Hand. Ich besaß das Messer, das an meinem Gürtel hing, ein paar Feuerwerkskörper,eine Handgranate und ein silbernes Zigarettenetui. Eine halbe Stunde zuvor hatte ich noch eine Kalaschnikow. Nun ja. Eine halbe Stunde zuvor war ich im Besitz einer ganzen Menge nützlicher Dinge gewesen.
Der unsichtbare Schütze entleerte ein ganzes Magazin auf mich.
Als würde er mir sagen wollen: Ich seh dich, Kumpel, beweg dich bloß nicht!
Er sah natürlich auch den Blinden Hund über den Bahndamm auf mich zu rennen und ging davon aus, dass mein Ende unausweichlich war. Eine Kugel traf die Gleise mit einem solchen Lärm, dass
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