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Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)

Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)

Titel: Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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keine Beachtung, schnitt stattdessen das einzige unverletzte Pferd aus dem Geschirr, hakte die Ketten aus und stieg auf seinen Rücken. Eine Kanonenkugel rollte aus dem zersplitterten Protzenkasten über die Straße, und die verletzten Pferde schrien genauso wie der sterbende Kanonier.
    «O Gott. Nein.» Einer der Gefangenen in dem schattigen Hof war ein Virginier von der Küste, der nun wieder und wieder laut das Vaterunser betete. Das grauenvolle Schreien hielt an, bis ein Offizier der Nordstaaten zu den verwundeten Tieren hinüberging und jedem in den Kopf schoss. Er brauchte fünf Schüsse, doch dann waren die Tiere tot, sodass nur noch die schrillen, atemlosen Schreie des sich vor Schmerzen krümmenden Kanoniers zu hören waren, den die zersplitterten Speichen des Protzenrades aufgespießt hatten. Der Offizier atmete tief ein. «Soldat!»
    Der Mann musste den Ton der Autorität wiedererkannt haben, denn er verstummte für eine Sekunde. Und diese Sekunde war alles, was der Offizier brauchte. Er richtete seinen Revolver aus, zog den Abzug durch, und der Kanonier erschlaffte. Ein Schauer überlief den Offizier, er warf den leergeschossenen Revolver fort und ging schluchzend davon. Mit einem Mal schien die Welt sehr still. Es stank nach Blut, aber es war still, bis der Mann von der Küste Virginias das Vaterunser noch einmal betete, als könnten diese Wiederholungen seine Seele retten.
    «Alles klar bei euch?» Ein grau uniformierter Offizier galoppierte zu der Kreuzung hinunter.
    «Alles klar», sagte Starbuck.
    «Wir haben sie geschlagen, Leute! Ein für alle Mal geschlagen!», prahlte der Offizier.
    «Wollen Sie einen Apfel, Mister?» Ein Gefangener aus South Carolina, nun wieder ein freier Mann, hatte die Tornister durchsucht, die von der umgestürzten Protze gefallen waren, und sammelte nun unter dem blutbespritzten Gefährt ein paar Äpfel ein. Er warf dem jubelnden Offizier einen leuchtend roten Apfel zu. «Denen verpassen wir bald die nächste Abreibung!»
    Der Offizier fing den Apfel. Hinter ihm rückten die ersten Infanterieeinheiten der Südstaaten auf den Bull Run vor. Starbuck betrachtete sie eine Weile, dann wandte er sich ab. Die Kriegslotterie hatte ihm erneut die Freiheit geschenkt, und er hatte noch ein weiteres Versprechen zu halten.

    Erschöpfte Männer bargen alle Verwundeten, die sie finden konnten. Einige der Verletzten jedoch lagen tief im Wald und waren zu einem langsamen, unbemerkten Tod im Unterholz verdammt. Durstige suchten nach Wasser, andere tranken einfach die widerliche Flüssigkeit aus den Schwammkübeln der Kanonen, schluckten in gierigen Zügen die Rückstände des Schwarzpulvers zusammen mit dem warmem, salzigen Nass. Der Wind hatte etwas aufgefrischt, fuhr in die Lagerfeuer aus dem Holz zerschmetterter Musketenschäfte und Koppelzäune.
    Die Verfassung der Rebellen erlaubte keine Verfolgung der Unionstruppen, und so blieben sie auf dem Schlachtfeld und starrten mit benommener Verwunderung auf die Beute ihres Sieges – auf die Kanonen und Fuhrwerke und Munitionskisten, auf die Berge von erbeuteten Vorräten und die Horden von Gefangenen. Unter diesen Gefangenen war ein dicker Kongressabgeordneter aus Rochester, New York; er war entdeckt worden, als er seinen fetten Bauch hinter einem schlanken Bäumchen verstecken wollte. Man hatte ihn ins Hauptquartier gebracht, wo er tobend seine wichtige Stellung betonte und seine Freilassung verlangte. Ein spindeldürrer Soldat aus Georgia erklärte ihm darauf, dass er besser sein verdammtes fettes Maul halten solle, wenn er nicht wolle, dass man ihm seine verdammte fette Zunge herausschnitt, um sie zu kochen und mit Apfelsauce zu servieren. Daraufhin verfiel der Kongressabgeordnete augenblicklich in Schweigen.
    Als es anfing zu dämmern, überquerten die Rebellen den Bull Run, um das Dreißigpfünder-Parrott-Geschütz zu erbeuten, das an diesem Morgen das Signal zum Unionsangriff gegeben hatte. Die Nordstaatler hatten noch sechsundzwanzig weitere Kanonen aufgegeben, zusammen mit nahezu dem gesamten Ausrüstungstross ihrer Armee. Südstaatensoldaten fanden sorgfältig verpackte Galauniformen, die wohl schon für den triumphalen Einzug in Richmond vorbereitet worden waren, und ein Soldat aus North Carolina paradierte stolz im Aufputz eines Yankee-Generals einschließlich Epauletten, Schwert, Schärpe und Sporen herum. Die Taschen der Toten wurden nach ihrer jämmerlichen Ausbeute an Kämmen, Spielkarten, Testamenten, Taschenmessern und

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