Stark gegen Stress
der ihnen Spass macht und in dem sie sich vielleicht jahrelang ausgebildet haben, beizubehalten und sich darin auch weiterzuentwickeln. Doch die Erwerbstätigkeit gerät neben der Familienarbeit leicht zum Extra, zum Sahnehäubchen, obwohl sie ihre eigenen Anforderungen mit sich bringt – ein Spagat nach vielen Seiten. Stellen sich dann Gefühle der Unzulänglichkeit ein, so ist der Gedanke «Ich habe das ja selber gewählt» nicht weit, und die Implikation lautet: «Wenn ich schon berufstätig sein will, bin ich auch dafür verantwortlich, dass sich Familie und Beruf vereinen lassen. Deshalb muss ich das alles auch meistern können.» Ein unerreichbares Ziel und ein inhumaner Anspruch an sich selbst – und höchst stressrelevant. Gerade Mütter sind heute eine Risikogruppe für hohen chronischen Stress, dauernde Überforderung und entsprechende psychische und physische Folgen (z.B. Burn-out, Allergien, chronische Beschwerden).
Für Frauen mit familiär prekärer Finanzlage oder niedrigem Familieneinkommen, etwa für alleinerziehende Mütter, stellt sich oft gar nicht die Frage, ob sie erwerbstätig sein wollen oder nicht. Sie müssen einfach, um ein minimales Familieneinkommen mittragen zu helfen. Der Anspruch ist entsprechend hoch, der Weg in die Überforderung kurz. Und die soziale und gesellschaftliche Anerkennung dieser Situation, die Wertschätzung gegenüber Müttern oder Vätern, die sich für Familie und Beruf engagieren, fehlt weitestgehend.
Volle Agenda auch beim Nachwuchs
Bei den Kindern bündelt sich nicht nur der Stress der Umgebung und der Familie. Auch ihr eigenes Leben ist bereits früh überfrachtet: Frühförderung, Schule, Nachhilfeunterricht, Musikstunde, Theaterspielen, Sportverein(e), Lieblings-TV-Sendung – für nicht wenige Kinder ist der Tag voll ausgebuchtund durchgeplant, und sie finden nur noch selten eine ruhige Minute für sich selber. sie können kaum mehr innehalten, in Musse das tun, wonach ihnen gerade der sinn steht, und sich selbstvergessen darin vertiefen. Vielleicht gilt manchen Eltern selbstbestimmtes Spielen als verlorene und unproduktive Zeit. Leistung wird immer früher gefordert und gefördert. Viele Eltern stellen hohe Ansprüche an Kinder, gleichzeitig haben sie kaum Zeit für sie.
HINWEIS Stress ist universell in der westlichen Kultur. Er fängt bei den Kindern an und hört bei den Pensionierten nicht auf. Alle sind im Stress – ein kollektives Schicksal. Und dennoch ist jeder mit seinem Stress allein und muss selber zusehen, dass er damit klarkommt.
SELBSTTEST: MEIN PERSÖNLICHES STRESS-MANHATTAN
In welchen Bereichen Ihres Alltags erleben Sie Belastungen, und wie stark sind diese? Zeichnen Sie Ihr Ausmass an Stress in die verschiedenen «Hochhäuser» ein. Ein ganz ausgefülltes Hochhaus bedeutet «100% Belastung», ein leeres bedeutet «kein Stress in diesem Bereich». Wie sieht Ihr persönliches Stress-Manhattan aus?
Stress als subjektives Geschehen
In diesem Kapitel geht es um die Balance zwischen den aktuellen Anforderungen an Sie und den Ressourcen, die Sie ihnen entgegensetzen können. Erkunden Sie, wie diese Elemente bei Ihnen ineinanderspielen.
Dieser Ratgeber möchte Sie dazu befähigen, sich gegen Stress besser zu wappnen. Damit dies möglich ist, braucht es ein Verständnis dafür, was Stress denn nun genau ist und was er in uns auslöst. Im vorhergehenden Kapitel wurde das Wort im umgangssprachlichen Sinn verwendet: Im täglichen Sprachgebrauch bezeichnet «Stress» sowohl ein unerwartetes belastendes Ereignis (ein Kind ist krank, Sie finden keine Betreuung) oder widrige Umstände (z.B. Zeitdruck) als auch die Reaktion darauf («Ich bin im Stress»).
Das moderne Stressverständnis
Die moderne Psychologie sieht das Stressgeschehen als ein Zusammenspiel zwischen den Anforderungen einer Situation und der subjektiven Einschätzung dieser Anforderungen durch die betroffene Person, wobei physiologische Prozesse (hoher Blutdruck, schneller Pulsschlag, Schweissausbrüche usw.) Begleiterscheinungen sind.
GUT ZU WISSEN
Es gibt kein allgemeingültiges, objektives Mass dafür, was als Stress gelten kann und was nicht. Stress ist ein subjektives Empfinden.
Es ist nicht ein Ereignis als solches, welches Stress darstellt, sondern unsere Interpretation und Bewertung des Ereignisses.
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DER ARBEITSPLATZ VON CLAUDE O . befindet sich in einem Grossraumbüro. Manche seiner Kollegen hören zu gewissen Arbeiten gerne Radio. Die Hintergrundmusik macht, dass
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