Starke Kinder
ein Fremder ein Täter war. Dies sind auch die Fälle, die uns primär aus den Medien bekannt sind. Man kann die bekannten Fälle hochrechnen, um zumindest eine Schätzung zu erhalten. Immer jedoch sind die entstehenden Zahlen nur eine Annäherung an die Realität.
b)   Andere Studien befragen mögliche erwachsene Opfer direkt. Durch diese sogenannte retrospektive Befragung (mit dem Blick rückwärts in die Vergangenheit gerichtet) besteht jedoch die Gefahr einer Erinnerungsverzerrung. Mit dem Wissen, welches im weiteren Verlauf des Lebens gesammelt wurde, können sich die Erinnerungen verfälschen.
c)   Einzelne Studien untersuchen durch eine gezielte Erhebung, z. B. in Institutionen wie den Bistümern der katholischen Kirche Nordamerikas, die Häufigkeit der dort bekannten Ãbergriffe. Die gewonnenen Erkenntnisse bleiben dann natürlich auf die Kinder bzw. Täter in solchen Institutionen beschränkt.
Fasst man den Wissenstand all dieser Studien zusammen, so wäre eine folgende Beschreibung typisch. Das Opfer ist ein Mädchen im Alter von 7 bis 14 Jahren. Es kommt häufig (nicht immer) aus einer Familie, die in ihrer Entwicklung keine groÃe Unterstützung für sie war. Wissen über Sexualität hatte sie keines und sammelt erstes Wissen während ihrer Pubertät durch Menschen, die nicht zu ihrer Familie gehören. Sie hat keine Vertrauensperson auÃer dem Täter.
Eine groÃe Befragung in Deutschland (Wetzels, 1997) führte zu folgenden Ergebnissen: Insgesamt berichteten 18,1 % der Frauen und 7,3 % der Männer von irgendeiner Form sexueller Handlungen in ihrer Kindheit oder Jugend. Im Alter von unter 14 Jahren berichteten 10,7 % der Frauen und 3,4 % der Männer von sexuellen Missbrauchshandlungen. Werden alle Informationen zu Missbrauchshandlungen unter dem Alter von 16 Jahren zusammengefasst, so begann der Missbrauch bei Jungen und Mädchen durchschnittlich im Alter von 11 Jahren (vgl. Abbildung 1 ).
Abbildung 1: Alter der Opfer zum Missbrauchsbeginn (Prozentangaben)
Missbrauchshandlungen sind zumeist von den Opfern ungewollte Berührungen. Ungefähr 64 % der Opfer berichteten, dass der Täter nicht in ihren Körper eingedrungen ist. Ungefähr ein Drittel der Opfer (36 %) berichteten, dass der Täter mit einem Gegenstand, seinem Finger, seiner Zunge oder seinem Penis in sie eingedrungen ist.
Während die eine Hälfte der Opfer (53,8 %) von einmaligen Ãbergriffen berichtet, wurde die andere Hälfte (46,2 %) der Opfer mehrfach missbraucht.
Amerikanische Studien berichten von etwas häufigerem Vorkommen sexuellen Missbrauchs. Je nach Studie wurden zwischen 9 und 33 % der Frauen irgendwann in ihrem Leben sexuell missbraucht. Zwischen 3 und 16 % aller Jungen wurden bis zum Alter von 18 Jahren sexuell missbraucht. Durchschnittlich begann der Missbrauch im Alter von 10 bis 12 Jahren, wobei Kinder sämtlichen Alters missbraucht wurden. Ungefähr zwei Drittel der betroffenen Jungen waren ein einziges Mal missbraucht worden. Grundsätzlich werden Jungen häufiger als Mädchen von Tätern auÃerhalb der Familie missbraucht. Auch werden sie eher durch Gewalt und Drohungen eingeschüchtert. Mädchen werden eher über indirekte Drohungen âüberredetâ. Das Ausmaà des sexuellen Missbrauchs ist bei Mädchen gröÃer. Die sexuellen Handlungen sind gravierender und werden eher zu den schweren Formen von Missbräuchen gezählt.
Man vermutet, dass Jungen aufgrund intensiver Schamgefühle wesentlich seltener über sexuellen Missbrauch berichten und so die Dunkelziffer wesentlich höher ist. Werden Jungen von Männern missbraucht, so befürchten sie, ihre Umgebung, insbesondere ihre gleichaltrigen Freunde, könnten sie für homosexuell halten. Ist eine Frau Täter, so wird der Missbrauch eines Jungen von der Umgebung typischerweise als weniger schlimm eingeschätzt. Dies wird interpretiert als eine Einführung in die Sexualität durch eine âreifeâ, âerfahreneâ Frau. Frühe sexuelle Erfahrungen eines Jungen werden tendenziell als etwas Positives eingeschätzt. Insbesondere bei Geschlechtsverkehr wird eine aktive Beteiligung des Jungen angenommen. Fakt ist, dass trotzdem die Kriterien eines sexuellen Missbrauchs erfüllt sein können und Schaden an der Psyche des betroffenen Kindes verursacht werden
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