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StasiPolka (German Edition)

StasiPolka (German Edition)

Titel: StasiPolka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Pesch
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Vincent fand in der Werkzeuglade einen Kabelbinder, zog ihn fest um die Knöchel des Jungen und stieg hoch an die frische Luft. Kratziger Hals, Husten. Die Zuschauer zerstreuten sich. Einige schüttelten den Kopf; wieder ein Besoffener, der vergessen hatte, den Gasherd auszuschalten.
    Milan wickelte die Rauchbomben aus. „Die Dinger waren vor ein paar Jahren hier auf dem Balkan schwer in Mode. S ie sind harmlos, außer dass sie qualmen wie alte Dampfloks. Trink einen halben Liter Joghurt.“
    „Ich habe überraschend Besuch bekommen“, sagte Vincent.
    Ivo beugte sich vor und warf einen Blick nach unten. Er nickte Milan zu, der hinunter in die Kajüte stieg. Vincent wartete auf den ersten Schrei, aber bis oben drang nur ersticktes Wimmern, etwas weinerliches Genuschel, dann war es still.
    Milans massige Gestalt erschien im Niedergang. „Ich kenne den Jungen, es lohnt sich kaum, ihn auszufragen. Einer der Junkies aus Zagreb, die über die So mmermonate hier bei uns Liegestühle aufklappen und Ausländerinnen flach legen.“  Er wuchtete sich auf die Bank neben Vincent und rieb seine Knöchel. „Ein Bosnier hat ihm ein paar Scheine gegeben, damit er dir die Qualmer ins Boot legt und eine Botschaft dazu. Du kannst ihn selbst fragen, er ist jetzt zahm.“ 
    Vincent stieg nach unten, der Junge lag auf der Seite und starrte ihn an. Sein Hosenschlitz stand offen. Milan hatte ihn ein bisschen ran genommen, klar. Es brac hte nichts, wenn er jetzt auch noch auf den Bengel eindrosch. Er holte Joghurt, Dosenbier und Trester aus dem Kühlschrank und stieg wieder nach oben. Sie setzten sich und tranken. Vincent schob ihnen den Zettel hinüber und übersetzte. Milan hatte Recht, der Joghurt löschte das Halsbrennen.
    „Hast du einem Kollegen die Frau ausgespannt?“ fra gte Ivo.  
    Vincent schaute die beiden an. „Vielleicht sollte ich mir doch Gedanken über die Leute in dem bosnischen Auto m achen.“
    Dann fiel ihm Katjas Hilferuf ein. Merkwürdig. Erst ihre Nachri cht, dann das Rauchzeichen. War es weit hergeholt, da einen Zusammenhang zu sehen?
    Und sonst? Bösartige Figuren traf er genug, wenn er Aufträge für OVID erledigte. Natürlich gab es da offene Rechnungen. Aber aktuell fiel ihm dazu nichts ein.
    Mal hören, wo Katja der Schuh drückte. Wie es ihr wohl ging? Ihm war leicht unwohl, wenn er an sie dachte. Auf keinen Fall würde er sich in Privates hinein zi ehen lassen; Katjas heutiges Leben ging ihn nichts an. Aber zumindest musste er ihr zuhören, schon um der alten Zeiten willen.
    Besser, er machte sich gleich auf den Weg. Die Typen, die ihn heute Morgen provozieren wollten, konnten noch wa rten.
    „Ich werde drei, vier Tage unterwegs sein“, sagte er, „lasst meinen Kahn mal gründlich durchlü ften.“

3
     
    Vincent stellte den Wagen im grünen Schatten der Einfahrt ab. Halb verdeckt von mann shohen Büschen lag vor ihm ein geducktes graues Steinhaus, tief in den Hügeln südwestlich von Waterloo. Sonnenschein sprenkelte den Boden, die Fahrt von Brüssel hierher war angenehm gewesen.
    Der Kies knirschte, als er auf die breite Holztür zuging. Eine grauhaarige Frau öffn ete.
    „Vincent Cruz. Ich bin angemeldet.“
    „Madame erwartet Sie.“
    Er folgte ihrem breiten Schatten durch eine zweigeschossige Diele mit dun klem Basaltpflaster. Das Wohnzimmer war hell und geräumig, weit offene Schiebetüren zum Garten hin. Vom Rand der Terrasse fiel die Rasenfläche sanft ab, durch die Büsche schimmerte ein Pool. Meilenweiter Blick über die grüne flandrische Landschaft. Ein Feldherrnhügel, von dem aus sich locker Napoleons Schlacht nachstellen ließ.
    Katja trug ein ärmelloses schwarzes Leinenkleid mit aufgesetzten Taschen , dazu schwarze Sandalen mit flachen Absätzen. Nackte braune Beine. Ihre blonden Haare waren kürzer als früher. Kein Schmuck. Hatte sie nicht nötig. Sie war jetzt zwanzig Jahre älter und gehörte ohne Frage nicht mehr zur Klasse der Werktätigen, aber irgendein Zauber wirkte noch.
    „Willst du etwas trinken?“
    „Kaffee.“
    „Schwarz, ohne Zucker.“ Das war eine Feststellung, keine Frage. Sie nickte der Frau zu, die an der Tür gewa rtet hatte.
    „Für mich nichts, Margriet.“
    „Setz dich doch.“ Sie zog die Schiebetüren zum Garten zu und kauerte sich ihm gegenüber in einen Sessel. Vincent begann, sich unwohl zu fühlen.
    „Du hast abgenommen“, sagte er.
    „Ich trage jetzt andere Sachen.“ Sie verzog flüchtig den Mund. „Vielleicht zwei, drei Kilo. Du warst

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